Moerder Im Gespensterwald
können. Deshalb sind wir für rein deutsche Klassen.«
»Aber wo, Herr Pagels? Vielleicht in Hamburg oder Berlin. Doch nicht bei uns!« Angesichts dieser Hirnrissigkeit rang Uplegger innerlich die Hände. Zu fürchten war allerdings, dass die Kameraden nur weit verbreitete Ansichten wiedergaben, die sogar von Eltern gehegt wurden, deren Kinder in »reinrassige« Klassen gingen. Vielleicht wurde bereits ein Schüler mit vietnamesischem Vater und deutscher Mutter als Gefahr für Bildung und Erbgut empfunden? Uplegger dachte an einen solchen Klassenkameraden von Marvin. Niemand nahm Anstoß, aber am Gymnasium lernten ja auch vorwiegend Schüler aus »besseren« Elternhäusern, die tolerant waren oder zumindest so taten. Das Gymnasium war nicht rassistisch, sondern sozialdarwinistisch; so hätte es Barbara vielleicht ausgedrückt, und er räumte ein, sich manchmal hinter ihrem scharfen Verstand zu verstecken.
Uplegger verscheuchte seine müßigen Gedanken und fragte: »Wenn die Muslime auf Teppichen heimreisen sollen, welches Fahrzeug haben Sie dann für Schweden vorgesehen?«
»Wieso Schweden?«
»Sind das keine Ausländer?«
»Doch, schon …«
»Aber?«
Pagels hob die Schultern. Er hatte zweifellos eine Antwort, aber sie war sicher nicht politisch korrekt.
»Warum wollen Sie die Schweden nicht vertreiben? Die sprechen so komisch …«
»Sie sind stammesverwandt.«
»Arisch?«
»Das haben Sie gesagt.«
Barbara hatte Elina Gundersen pro forma mit all den Namen konfrontiert, die bisher im Zusammenhang mit dem Verbrechen im Gespensterwald aufgetaucht waren, und das Ergebnis war das erwartete: Sie kannte nicht einen. Nienhagen war ihr nur deswegen ein Begriff, weil man in den Vorjahren daran vorbeigefahren war, mit dem Ziel Bad Doberan. Nicht einmal angehalten hatte man dort. Zwischen den beiden schwedischen Familien und dem Tatort sowie seiner Umgebung gab es außer dem tödlichen Ausflug keinen Zusammenhang.
Elina blieb auch dabei, von dem Tiefendetektor und den Briefen nichts gewusst zu haben. Wetterstroms hätten ohne Feinde gelebt und sie, Gundersens, hätten auch keine.
Gern hätte Barbara gleich das Protokoll getippt und unterschreiben lassen, doch Elina war zu erschöpft. Es wäre rücksichtslos gewesen, sie länger festzuhalten; außerdem wollte die Zeugin schnell zu ihrem Kind. Sie brachte Frau Gundersen zur Pforte und übergab sie dort der Obhut von Ann-Kathrin Hölzel, die sie telefonisch gebeten hatte, nach Markgrafenheide zu fahren. Einen Augenblick lang erwog sie, ihren Biervorrat aufzufrischen, nahm aber davon Abstand, weil es zu heiß war.
In ihrem Büro betrachtete sie die anschwellende Menge von Papieren, was sie schnell bedauern ließ, nicht doch den nächsten Supermarkt aufgesucht zu haben. Sie wühlte in einem der Eingangskörbe und förderte einen Bericht zutage, der Dominic Brauer betraf.
Der Waldschützer war unverheiratet, was keine Straftat darstellte, schließlich war das auch ihr Familienstand. Er hatte sich mehrmals an Demonstrationen gegen den »Ökonomismus der Bundesregierung in Waldfragen« beteiligt, was ebenfalls legal war; außerdem ging aus dem Bericht hervor, dass das Schicksal des deutschen Waldes nicht allzu viele Leute erregte. Als Oberschüler war Dominic mehrmals im Wendland gewesen, um sich gegen die Castor-Transporte zu wenden, er hatte sich sogar an die Schienen gekettet und war so in die Mühlen des polizeilichen Berichtswesens geraten. Aber das waren Jugendsünden gewesen, und falls er noch immer gegen die Transporte war, beging er keine Straftaten mehr. Irgend etwas mit kleinen Mädchen lag gegen ihn nicht vor.
Barbara versah den Bericht mit einer Seitenzahl und heftete ihn ab. Sie stellte die Akte zurück ins Regal, setzte sich an den Schreibtisch, betrachtete den Bildschirmschoner und wartete auf ein Wunder.
Uplegger hatte ein paar Pflichtfragen gestellt – ob der Zeuge etwas zu trinken oder zu essen wolle –, und vermerkte dessen verneinende Antwort auf seinem Block. Pagels betrachtete das Plakat und schien sich zu langweilen, also sorgte Uplegger für ein wenig Unterhaltung.
»Weil Sie so wenig Nahrung für Ihre … ich nenne sie mal bevölkerungspolitischen Ziele haben, gehen Sie wohl gegen Linke los? Wie bei Jamel rockt den Förster? «
»Wir wurden angegriffen.«
»Herr Pagels, das Festival ist bekannt für friedliche Gäste. Außerdem steht im Urteil, dass die Gewalt von Ihnen ausging.«
»Man hat uns beschimpft. Irgendjemand rief etwas
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