Moerder Im Gespensterwald
kärnkraftvärmeverk , das sich übrigens auch in der Nähe Stockholms befindet, genießt Robert Gundersen nicht gerade die Liebe der schwedischen Atomkraftgegner. Irgendwie ist es ihnen gelungen, seine Wohnanschrift herauszubekommen – ich glaube, das ist in Schweden ganz einfach, da gibt es den gläsernen Bürger schon. Es wurden zwei Farbanschläge auf sein Haus verübt. Nach dem ersten wurde das Anwesen bewacht, und die Polizei konnte vier junge Männer festnehmen. Einer von ihnen war ein Deutscher.«
»Etwa aus Rostock und Umgebung?«
»Im weiteren Sinne schon. Piet Henke stammt aus Stralsund und hat eine Regionalorganisation von Wood Watchers aufgebaut.«
»Ich kenne bloß Weight Watchers !«
»Bakken sagt, Wood Watchers agieren europaweit.« Uplegger war mit seinem Smartphone zugange. Barbara beneidete ihn zunehmend, dass er so schnell auf das Weltweite Wissen zurückgreifen konnte, wie sie WWW getauft hatte. »Ah, ja, hier. Wood Watchers wurde 2003 nach der 2. Bundeswaldinventur von dem Berliner Waldökologen und Waldaktivisten …«
»Wat all givt!«, entfuhr es Breithaupt.
»… Ben Weinkauf gegründet, der einen Neuanfang in der deutschen und europäischen Waldpolitik fordert. Insbesondere lehnt er eine zu starke Ökonomisierung ab, wendet sich gegen die Nadelholzmonokulturen und lehnt die Waldstrategie 2020 des Bundeslandwirtschaftsministeriums ab.«
»Und gegen Atom sind die Waldwächter auch?«
»Mittlerweile ist das eine Umweltaktionsgemeinschaft, die auf mehreren Hochzeiten tanzt. Meeres-und Gewässerschutz, Anti-AKW, alternative Energiegewinnung, die ganze Palette. Seit 2004 gibt es immer mehr Regionalbüros, seit 2007 sind sie auch in Österreich, der Schweiz, Polen und Tschechien aktiv, seit 2009 in Lettland und seit 2010 in Norwegen und Finnland. In Schweden nicht.«
»Auf Kunsthistoriker und ihre Familien haben sie es wohl kaum abgesehen«, konstatierte Barbara.
Uplegger scrollte weiter. »Oh, eine große Regionalorganisation ist die von Nordbrandenburg und Mecklenburg-Süd. Sitz ist Eberswalde. Und … der Regionalvorsitzende ist Dominic Brauer!«
Barbara brannte etwas auf der Seele oder zumindest auf den Nägeln: Warum hatte Elina Gundersen behauptet, sie hätten keine Feinde, wenn es zwei Farbanschläge auf ihr Haus gegeben hatte? Nun bereute sie, die Zeugin entlassen zu haben, und rief Ann-Kathrin an. Die steckte glücklicherweise im Stau und hatte Elina noch an Bord. Es half nichts, auch wenn sie die Frau bedauerte, sie mussten umkehren.
Während Uplegger an seinem Protokoll schrieb, vertrieb sie sich sich die Wartezeit mit dem Telefon. Zuerst rief sie den dubiosen Baulöwen an, dessen Stimme dünn klang und den ihre Frage zu befremden schien; sie wollte nämlich wissen, welchen Gynäkologen seine Frau aufsuchte. Da er es nicht genau wusste – war es ein Dr. Kruse oder Krause? –, ging er, Mareike zu fragen. Das nahm einige Zeit in Anspruch, und als er wieder am Apparat war, wusste Barbara bereits, dass es in Rostock nur den Frauenarzt Krause gab.
Mit ihm führte sie das nächste Gespräch. Der Weißkittel erklärte ihr mit einer sonoren und nicht unsympathischen Stimme, dass er keine Auskünfte erteilen könne, und er berief sich auf die Schweigepflicht, was Barbara im Übrigen erwartet hatte.
»Hat es Sie nicht gewundert, dass Frau Dünnfelder einen Termin für ihre Tochter vereinbart hat?«
»Das machen viele Mütter. Meistens geht es um die Pille.«
»Die Tochter ist sieben!«
»Ach?« Kurzes Schweigen. »Das wusste ich nicht.«
»Sind Sie denn kein Frauenarzt?« Barbara schaute zu Uplegger, der wiederum angespannt seine Notizen betrachtete: Er gab sich immer viel Mühe mit seinen Protokollen, als wären sie zur Veröffentlichung bestimmt. Jonas war so überaus korrekt, dass sie sich manchmal fragte, ob er nicht insgeheim an irgendeiner Zwangserkrankung litte.
Dr. Krause hatte nichts erwidert, also fragte sie noch einmal: »Sie sind doch Frauenarzt, oder?«
»Ich weiß nicht, was Sie damit …«
»Nun, ich dachte, ein Gynäkologe sollte vielleicht wissen, wann seine Patientinnen ein Kind ausgetragen haben, nicht wahr? Oder gehören Sie zu diesen Ärzten, die nur Rechnungen schreiben können? Für irgendwelche Nebenleistungen, die kein Mensch braucht? Auf Wiedersehen! Und das meine ich ernst.« Sie legte auf. »Idiot!«
Uplegger kam aus dem Mustopf: »Pagels?«
»Alle!« Sie tippte rasch eine Gesprächsnotiz, warf dem Drucker einen bösen Blick zu, erteilte
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