Moerder Im Gespensterwald
ihm dann aber doch einen Befehl – und er warf eine Seite aus: Keine Steuerzeichen, ihren Text! Ohne ihn noch einmal zu überfliegen, setzte sie ihre Unterschrift auf das Papier und knallte den Stempel mit ihrem Dienstgrad darunter. Uplegger schrak zusammen, und das hatte sie auch beabsichtigt. Das Telefon schlug an, und Ann-Kathrin meldete sich aus VR 1: »Wieder da.«
Barbara überquerte den Flur. Da es auch Uplegger gelungen war, das Protokoll auszudrucken, schloss er sich ihr an. Vor den Vernehmungsräumen trennten sie sich, und jeder betrat den seinen.
Ann-Kathrin und Elina waren in ein Gespräch über schwedisches Möbeldesign und den Erfolg von IKEA vertieft. Im Grunde genommen, so dachte jedenfalls Barbara, gab es ansonsten auch wenig Wissenswertes über dieses Land. Früher war Schweden ein Super-Sozialstaat gewesen, hatte im puren Kapitalismus fast lupenreinen Sozialismus gelebt, der Staat hatte das Volk gefüttert, bis es platzte. Und nun? Man hörte so gar nichts mehr. Vermutlich Krise, Krise war ja überall.
Barbara entschuldigte sich bei Frau Gundersen, die ein wenig aufgeblüht war, weil Ann-Kathrin ein die Gedanken und Gefühle ablenkendes Thema gefunden hatte. Über den Grund, warum man sie zurückgepfiffen hatte, war offenkundig nicht gesprochen worden, nun holte Barbara das nach: »Ich habe eben mit Rikskriminalpolisen telefoniert und Dinge erfahren, von denen Sie uns nichts erzählt haben. Zum Beispiel, dass auf Ihr Haus in Stockholm zweimal ein Farbanschlag verübt worden ist.«
»Ja, ich hatte …« Elina wurde rot. »Sie haben nicht gefragt.«
»Oh, doch! Ich wollte wissen, ob Sie Feinde haben!«
»Ja, aber … das sind doch keine …« Sie wurde noch roter und wusste nicht weiter.
»Keine persönlichen Feinde«, sprang Ann-Kathrin ein. Elina nickte dankbar. Barbara mochte es eigentlich nicht, wenn man Zeugen Worte in den Mund legte, aber diesmal ließ sie Gnade vor Recht ergehen.
»Außerdem … das hat nichts … Wir wurden doch nicht … Mein Mann und Maj …«
Nun tat Barbara selbst, was sie ablehnte: »Sie meinen, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun?«
»Ja. Nein. Ich …« Sie trank einen Schluck Wasser. »Das war Anti-Atom. Die können doch gar nichts gegen Acke und
Agneta wollen. Wieso?«
»Wussten Sie, dass einer der Atomgegner ein Deutscher namens Piet Henke ist?«
»Nej. Gar nicht. Polizei hat nicht gesagt.«
»Agneta, Ihre Schwester, hat vor vielen Jahren einen Kunstfälscher zur Strecke gebracht …«
»Was bedeutet das? Zur Strecke gebracht?«
»Ihn entlarvt. Er wurde verhaftet und verurteilt.«
Sie nickte. »Es war ein Mann aus Norwegen.« Das klang, als könne man so etwas auch nur von Norwegern erwarten.
»Kennen Sie seinen Namen?«
»Ich muss überdenken. Ist lange Zeit vorbei. Vielleicht … Eidsvoll?«
»Eidsvag. Magnus Eidsvag.«
»Ich erinnere mich. Eidsvoll, ja, ist eine Stadt in Norwegen. Eidsvag. Richtig.«
»Wissen Sie, was aus dem Mann geworden ist?«
»Nein. Ich habe nie wieder von ihm gehört. Manchmal, ja, erzählte Agneta noch davon. Wie eine Legende. Eine Saga. Aber ich weiß nicht … weiß wirklich nicht …«
Barbara nahm den Vibrationsalarm ihres Handys wahr, zog das Gerät mit einem bedauernden Blick auf Frau Gundersen heraus und klappte es auf. Der Anruf kam von Lorbass Lutze, und sie trat hinaus auf den Flur.
»Riedbiester.«
»Man hat Karina Dünnfelder gefunden. Sie ist tot.«
IV Todesschlaf
Uplegger folgte einem Wagen der Spusi und konnte sich daher ganz seinen Gedanken überlassen, die um Karina und ihre Eltern kreisten. Was waren das nur für Menschen? Eine jähzornige Mutter, die in aller Öffentlichkeit mit dem Schuh auf ihre Tochter losging, ein Vater, der sie missbraucht haben soll – das Mädchen hatte in einer Hölle gelebt. Vielleicht log die Frau, um ihrem Mann eins auszuwischen, eine schreckliche Lüge, die sein Leben ruinieren konnte. In jedem Fall war das Verhältnis der Eltern gestört, und auch das war für das Kind das reine Elend. Die Ehe sollte im Eimer sein, vielleicht wurde häufig von Trennung gesprochen, gab es Streitereien. Mittlerweile hatte Uplegger herausgefunden, dass Martin Dünnfelder die Geschäftsführung an eine junge Frau abgegeben hatte, eine BWL-Studentin. Womöglich hatte er es getan, um die Verantwortung jemandem überzuhelfen, der unerfahren war, damit er selbst im Falle einer Pleite seine Hände in Unschuld waschen konnte. Ebenso konnte die Studentin aber auch seine Geliebte
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