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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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auf dem Boden. »Sie bringt sich um.«
     
    Als Barbara zurückgekehrt war und die überquellenden sieben Eingangskörbe sah, wäre sie am liebsten wieder umgedreht. In der Schale Handakte lag obenauf eine Besatzungsliste der Kvartsita , darunter war genau vermerkt, wann der schwedische Schoner im Stadthafen festgemacht hatte: 22 Stunden vor den Morden. Wenn jemand an Bord ein Motiv hatte, die Wetterstroms auszulöschen, hätte er dazu Gelegenheit gehabt. Barbara nahm die Liste, um sie nach Stockholm zu faxen, dann wandte sie sich den Allgemeinen Informationen n. f. A. zu, von denen ein Briefumschlag mit dem handschriftlichen Vermerk Für die kriminalpolizeiliche Sofortbearbeitung ihre Aufmerksamkeit fesselte. Sie erkannte die Schrift ihres Chefs und erwartete etwas ungeheuer Wichtiges, also öffnete sie den Umschlag und zog ein Faltblatt heraus. Auf der Vorderseite waren die allbekannten drei Affen abgebildet, über der Grafik stand Darüber spricht man nicht , darunter Alkoholprobleme im Betrieb . Eine Visitenkarte war mit einer Büroklammer am Flyer befestigt. Sie stammte von Dipl.-Psych. Christiane Grünberg, Suchtberaterin in der Personalabteilung des PP Rostock.
    Wutentbrannt stürmte Barbara hinaus und den Flur entlang zum Chef, riss die Tür des Vorzimmers auf und wollte es wortlos durchqueren, was ihrem Spitznamen Dampframme alle Ehre gemacht hätte. Die Sekretärin jedoch erkundigte sich mitfühlend nach dem Zahnarztbesuch. Barbara gab ein paar maulfaule Auskünfte – nur Zahnstein entfernt – und wollte weitergehen, doch Frau Kurtz hielt sie zurück: »Der Chef hat Besuch. Einen Mann und eine Frau – von ganz oben.«
    »Innenministerium?«
    »Hm.«
    »Was wollen denn diese Horn…?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Frau Kurtz! Sie wissen es besser als diese Bürohengste selber! Eigentlich müssten wir Sie zu Vernehmungen hinzuziehen, bei Ihrem Talent, Leuten ihre Geheimnisse zu entlocken.«
    »Na ja«, die Sekretärin lächelte, »der Chef hat noch telefoniert, da haben die beiden einen Kaffee bei mir getrunken. Er hat ihnen sehr gut geschmeckt.«
    »Also?«
    »Es geht um eine Nachrichtensperre.«
    »Jetzt noch? Zu spät. Und wie sollte eine Nachrichtensperre mit der Öffentlichkeitsfahndung zusammengehen, die wir heute bei der Dienstbesprechung beschlossen haben?«
    Frau Kurtz hob beide Hände. »Ich bin nur die Sekretärin.«
    »Dann komme ich später.« Barbara ging zu Breithaupt, um sich die Nummern von Bakken geben zu lassen. Als der Kofferträger das Blatt in ihrer Hand sah, grinste er.
    »Ist eine Verschwörung gegen mich im Gange?«, fragte sie. Er hob die Schultern, aber das anhaltende Grinsen verriet ihn.
    Barbara begab sich in eine fensterlose Kammer am Ende des Flures, wo die Kopierer standen, zwei an der Zahl; außerdem wurde hier das Papier gelagert. Sie machte Licht, nach und nach erhellte eine Energiesparlampe die verschimmelten Wände.
Irgendwann hatte es in diesem Raum eine Blümchentapete
gegeben, von der noch einige feuchte Reste kündeten. Seit Jahren kämpften die beiden konkurrierenden Polizeigewerkschaften – die Gewerkschaft der Polizei und die Deutsche Polizeigewerkschaft – sowie der Bund Deutscher Kriminalbeamter für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, aber außer uneingelösten Versprechungen vom Betrieb für Bau und Liegenschaften hatte dies nichts bewirkt. Nun wurde in der Ulmenstraße eine neue Polizeizentrale geschaffen, und bald sollte der Umzug stattfinden. Barbara rechnete trotzdem damit, noch viele Jahre in der Blücherstraße Dienst zu tun. Und irgendwie mochte sie das alte Gemäuer ja – aus reiner Gewohnheit.
    Mit mehreren Abzügen kehrte sie zurück in ihr Büro, wo ihr Blick sofort auf die eingebundenen alten Zeitungen fiel, die sie mühsam in den dritten Stock geschleppt hatte, wobei sie zweimal hatte gehen und an die hundert Mal hatte keuchen müssen. Was sollte sie damit bloß anfangen? Aber sie hätte dem alten Hübner sein Geschenk nicht abschlagen können.
    Die Kurze englische Sprachlehre lag auf ihrem Schreibtisch, aber für das Anschreiben an Martin-Mikael Beck-Bakken verzichtete sie darauf, sie zu konsultieren. Sie benutzte vorsichtshalber einfach weder conditional noch gerund und bildete sich ein, beides für ihre schlicht gestrickten Sätze auch gar nicht zu brauchen.
    Auch ein Faxgerät stand in der Nässekammer. Barbara legte beide Blätter ein, und beide wurden durchgezogen. Das Gerät schied ein Protokoll aus. Seite 1 war erfolgreich versendet

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