Moerder Im Gespensterwald
dem Stipendium nirgendwo hingegangen, sondern in Rostock geblieben.«
»Er ist …« Barbara blieb die Spucke weg.
»Ja. Wie das Leben so spielt. Er hat sich verliebt, verlobt, verheiratet.«
»Mit einer Rostockerin, nehme ich an?«
»Sie vermuten richtig. Sie ist Immobilienmaklerin und heißt Barfuss. Christina Barfuss. Soweit ich weiß, wohnen sie in Lichtenhagen.«
»Im Neubau?«
»Wenn Sie vor fast 40 Jahren errichtete Häuser so bezeichnen wollen. Aber nein, auf dem gleichnamigen Dorf.«
In Barbaras Kopf hob sofort das Kreiseln an: Lichtenhagen-Dorf, Lichtenhäger Tannen, Karina, der Mercedes. Der Mann, den Agneta Wetterstrom entlarvt hatte, lebte vom Gespensterwald nicht weit entfernt. Bedeutete Nähe in diesem Fall Bezug?
»Ich muss Sie dringend sprechen. Es duldet keinen Aufschub.«
»Am Montag bin ich wieder im Dienst. Reicht Ihnen das?«
»Ja, das reicht. Wo arbeiten Sie denn?«
»Im Kulturhistorischen Museum. Ab zehn erreichen Sie mich.«
Welch christliche Arbeitszeit, dachte Barbara und stellte noch eine Frage: »Wann haben Sie Magnus Eidsvag zum letzten Mal gesehen?«
»Auf der Hochzeit.«
»Später nicht mehr?«
»Wenn ich sage, auf der Hochzeit, dann war es auf der Hochzeit, und nicht irgendwann danach! Mein Gott, warum habe ich dieses verdammte Handy angelassen? Eidsvag ist schüchtern und scheut die Öffentlichkeit. Er hatte ohnehin nicht viel Kontakt zur Rostocker Szene und lebt zurückgezogen, sicher weil er Künstler ist und in Ruhe schöpfen will.«
Oder im Trüben fischen, dachte Baraba, sagte jedoch »Herzlichen Dank und noch schöne Tage« und trennte die Verbindung.
Als Nächstes rief sie ihren Chef an. Der hatte noch immer Besuch, doch Barbara machte es dringend und bettelte auch ein wenig. Schließlich wurde sie durchgestellt.
»Nur kurz, Gunnar«, sagte sie. »Ich schwöre hoch und heilig, diese Suchtberaterin anzurufen, wenn du mich von den Aufgaben … wenn du mir noch jemanden zur Seite stellst. Einen halben Tag mache ich Akten, die andere Hälfte …«
»Die größere Hälfte.«
»Ich dachte, Hälften wären gleich? Wie auch immer, also ich will wieder aktiv an den Ermittlungen mitwirken. Ich habe da etwas beim Wickel, eine Spur … Stell mir Ann-Kathrin beim Bürokram an die Seite! Bitte!«
»Wann rufst du die Beraterin an?«
»Montag.«
»Warum nicht sofort?«
»Ja, ja, sofort!«
»Gut, ich bin einverstanden. Sobald meine Gäste fort sind, bestelle ich Kollegin Hölzel zu mir.«
»Oh, danke! Du bist ein …«
»Was?«
»Schatz!« Barbara biss in den sauren Apfel, wählte die Nummer auf der Visitenkarte und hoffte, dass sich eine Suchtberaterin am Freitagnachmittag bereits auf dem Weg ins Wochenende befand. Doch sie irrte sich. Und noch schlimmer, diese Tussi sagte: »Warum kommen Sie nicht sofort? Ich habe heute keine Klienten mehr.«
»Heute noch?« Barbara schüttelte den Kopf. Hatte sie wirklich Klienten gesagt? Nicht Patienten? Seltsam …
»Warum es aufschieben, Frau Riedbiester?«
»Ich habe einen aktuellen Mordfall. Kriminalpolizeiliche Sofortbearbeitung, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Haben Sie den nächste Woche nicht mehr? Wenn wir danach gehen, passt es nie. Können Sie in einer Stunde hier sein?«
Es musste eine Verschwörung im Gange sein, anders war diese überfallartige Einladung nicht zu erklären. Wahrscheinlich hatten Wendel, Breithaupt und diese Schamanin zusammengehockt und eine Intrige ausgeheckt.
»Also gut, bringen wir es hinter uns.«
»Frau Riedbiester, wir bringen etwas vor uns! In einer Stunde, ja? Ich freue mich.«
Das konnte Barbara von sich nicht sagen. Der Besuch bei der Suchtberatung war ihr vor allem peinlich. Ordnungshüter wollten gern Ritter ohne Fehl und Tadel sein und scheuten sich, eine Schwäche zu bekennen. Barbara bildete diesbezüglich keine Ausnahme. Nur eines versöhnte sie mit dem Schicksal: die Vorstellung, dass die Kabale, in deren Mittelpunkt sie nun stand, gewiss bei Strömen von Bier ausgeheckt worden war – mit einer am Ende völlig besoffenen Beraterin.
V Blut und Tränen
Jonas Uplegger fürchtete, sein Gegenüber könnte jeden Moment zusammenbrechen. Martin Dünnfelder behielt Tränen in den Augen, seine Hände zitterten und ab und an entfuhr ihm ein Schluchzer. Doch er hielt sich erstaunlich aufrecht.
»Ich muss noch etwas Unangenehmes mit Ihnen besprechen. Ich frage mich, ob die Auftritte Ihrer Frau etwas mit Eifersucht zu tun haben könnten?«
»Ganz sicher.«
»Besteht Grund
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