Moerder Im Gespensterwald
zur Eifersucht?«
Dünnfelder schwieg und knetete seine Finger.
»Hat sie einen Grund?«
»Sie erfahren es ohnehin. Als die Ereignisse in der Firma über mich zusammenstürzten … zu Hause ist es ja auch nicht angenehm … Ich bin öfter in einen Studentenklub gegangen, wollte junge, unverbrauchte Leute um mich haben.« Er hielt inne, wühlte in der Trainingshose, förderte ein Taschentuch zutage und schnäuzte. »Zum Abspannen habe ich auch etwas getrunken, Cocktails. Tja, und dann habe ich eine Frau kennengelernt, ein Mädchen fast noch, aber so ungeheuer tough. Ganz anders als Mareike. Kein Jammern, keine Masken, keine Vorstellungen. Wie ein 15-Jähriger war ich sofort verliebt.«
»Der Name?«
»Rieke. Rieke Bröckel. Und wirklich Rieke, nicht Ulrike. Schön mecklenburgisch.«
»Sie haben Frau Bröckel als Geschäftsführerin eingesetzt, obwohl sie noch studiert und kaum Erfahrungen haben dürfte.«
»Nun ja, das eine oder andere Praktikum …« Dünnfelder ballte die Linke um das Taschentuch. »Sie haben sicherlich Recht, aber die ganzen Schwierigkeiten mit den Baustellen, die gierigen Handwerker, die ewig nörgelnden Bauherren … vor allem Lehrer … Lehrer sind am schlimmsten, die finden jeden Haarriss in der Wand! Ich brauchte Entlastung, ein wenig Rückzug vom Geschäft.«
»So?« Uplegger musterte sein Gegenüber scharf. »Es war nicht so, dass Sie die Ermittlungsbehörden an der Nase herumführen wollten? So nach dem Motto: Mit dem ganzen Elend habe ich nichts mehr zu tun, halten Sie sich an die neue Geschäftsleitung?«
»Ihre schlechte Meinung von mir kann ich wohl kaum korrigieren, also verzichte ich auf den Versuch.«
»Hatten Sie mit Frau Bröckel intimen Verkehr?«
Ein kaum sichtbares Lächeln erschien auf Dünnfelders Gesicht.
»Eine echte Polizistenfrage, hm? Intimen Verkehr? Ja, hatten wir. Haben wir noch. Meine Frau ahnt das natürlich. Ist ja nicht das erste Mal. Ich muss einfach mal raus, weg von dieser Verrückten. Können Sie das nicht nachvollziehen?«
Uplegger zeigte keine Reaktion. Er war seiner Frau immer treu gewesen. Eigentlich galt das sogar jetzt noch, Jahre nach ihrem Tod.
»Schlafen Sie noch mit Ihrer Frau?«
»Selten, und wenn, geht die Initiative dazu von ihr aus. Nicht dass ihr etwas daran liegt, sie will mich nur an sich binden. Ich habe vor einiger Zeit ein Buch über Borderline gelesen, und der Titel war Verlass mich nicht, ich hasse dich . Oder umgekehrt? Ich könnte mal gucken …« Dünnfelder stand auf und ging auf ein Regal zu, hielt aber in der Bewegung inne. »Na ja, ist nicht so wichtig. Der Titel fasst aber so oder so herum zusammen, was ich erlebe. Mareike hasst mich, aber noch mehr hasst und fürchtet sie das Verlassenwerden. Darum ist sie nicht nur auf andere Frauen eifersüchtig, sondern auf alles, was ich tue, auf Geschäftsfreunde, auf meinen Jaguar. Und deshalb ihr Ausbruch, als Karina sagte, sie wolle lieber zur Oma. Das geht gar nicht: Dass jemand lieber bei jemand anderem ist als bei ihr. In der Welt meiner Frau wird nur ein einziges Wort groß geschrieben: Ich. Ich, ich, ich. Und dieses Ich ist zugleich völlig kaputt. Eine Ruine hinter glänzender Fassade. Mehr oder weniger glänzend …«
»Welche Gefühle hegen denn Sie ihr gegenüber?«
»Trauer. Unendlich viel Trauer.« Dünnfelder stand wie angenagelt im Raum, mit hängenden Armen. »Früher hatte ich auch Mitleid, ich sehe ja, wie auch sie leidet – unter sich selbst. Aber ich muss zugeben, dass jetzt vor allem Wut da ist. Eine Riesenwut. Ja, auch Hass. Manchmal. Es gibt Momente, da denke ich: Hoffentlich gelingt ihr … gelingt ihr … der Selbstmord endlich.«
Martin Dünnfelder begann so heftig zu weinen, dass sich sein Leib krümmte. Er hielt sich den Bauch, als hätte er Schmerzen. Uplegger fühlte sich hilflos, er wusste überhaupt nicht, was er machen sollte. Plötzlich überwand er seine Scheu, ging kurzentschlossen auf den gequälten Mann zu und nahm ihn in den Arm. Dünnfelder ließ es geschehen und heulte seine Schulter nass.
Uplegger schluchzte ein bisschen mit.
Sie fuhr im Affenzahn nach Waldeck oder, wie sie es gern ausdrückte, hinaus in die Pampa. Was die Suchtberaterin auch immer vorhatte, sie wollte es hinter sich bringen. Einen Plausch über die Gefahren des Alkohols, von denen sie natürlich überhaupt nichts wusste, irgendein hochheiliges Versprechen, weniger zu trinken – und dann ab in die nächstbeste Kneipe!
Barbara erreichte den Gebäudekomplex,
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