Mörder Quote
gerade einen jungen Mann mit extrem guten Manieren oder einen totalen Nerd besser kennenlernen wollte. Aber nachdem Sebastian sich ein bisschen beruhigt hatte, kam doch ein ziemlich gutes Gespräch zustande.
»Du musst mehr aus deinen Haaren machen!« Okay, das war ein billiger Vorwand, aber egal. Er strich Sebastian durch die Locken. »Du hast doch ein gutes Volumen! Da muss nur Struktur rein!«
Sebastian lächelte süß und bescheiden. »Mir ist das Aussehen einfach nicht so wichtig wie dir«, erwiderte er und saugte an seiner Bionade.
»Aber der Look ist die halbe Miete.« Sascha warf sich zu Andy Warhol auf und war kurz davor, Sebastian die Fotos auf seinem Handy zu zeigen, auf der er selber verschiedene männliche und weibliche Glamourposen geprobt hatte. »Schau dir Mephisto an – das ist Look pur! Kein Talent, aber viel Verpackung!«
»Aber andere können richtig gut singen – Xena zum Beispiel. Oder Lilly.«
Damit hatte er recht. Und Sascha gleich zwei Hauptkonkurrentinnen reingedrückt. »Stimmt. Gegen so viel Stimmpower muss ich meinen ganzen männlichen Charme einsetzen! Ich meine – müssen wir unseren geballten männlichen Charme einsetzen … – oder?« Er sah Sebastian tief in die Augen, aber er konnte darin nichts erkennen. Weder Zu- noch Abneigung. Fünf Sekunden gingen vorbei und fühlten sich an wie eine halbe Stunde.
»Willst du noch was trinken?«, fragte Sascha. Er beschloss aufs Ganze zu gehen. »Ich bestell uns mal zwei Sekt …«
»Wie kannst du nur so sein?« Sebastian lehnte sich auf einmal straff zurück. »Am Sonntag noch trinkst du mit diesem Maskenbildner in einer Kneipe, gehst auf seine Beerdigung, und jetzt bestellst du Sekt? Ich verstehe euch nicht.« Er sah auf einmal wütend aus.
Sascha war verblüfft. »Erstens war ich nur zufällig im gleichen Lokal wie er, und wir kannten uns kaum. Und zweitens: Wer sind denn bitte ›euch‹?«
Jetzt schien Sebastian all seine Kraft zu verlassen. Er sackte in sich zusammen, als ob jemand den Stecker gezogen hätte, und wischte sich Schweiß von der Stirn. »Na, ihr halt.« Er atmete schwer.
»Jetzt«, dachte Sascha. »Komm schon, mein Reh, hopp oder top?« Er sah seinem Gegenüber tief in die Augen und legte langsam seine Hand auf Sebastians, die schweißnass war. »Wer ist ›ihr halt‹?«
Sebastians Hand zuckte zurück wie elektrisiert. »Ihr – Perversen.«
Schon mitten im Wort sprang er auf und rannte panisch aus dem Lokal.
Sascha sank zurück in seinen Stuhl und war einen Moment völlig sprachlos. Dann lachte er schallend los. Das Wort hatte er nun wirklich lange nicht mehr gehört. Und schon gar nicht bei einem Treff mit einem Typ, von dem er sich etwas erhofft hatte. Wie hatte er sich nur so täuschen können? Das war tatsächlich ein totales Provinzei! Dieses Wasser war nicht nur still, es war flach! Meine Güte! Er bestellte sich allein den Sekt und ging das ganze Treffen im Kopf noch mal durch. So hatte ihn echt schon lange niemand mehr auflaufen lassen! Und das bei einem zukünftigen Superstar! Er schüttelte den Kopf und prostete sich selber in einem fast blinden Spiegel zu, der neben einem alten Spinnrad an der Wand gegenüber hing. Er lächelte. Doch dann wurde auf einmal etwas kalt in ihm. Diesem homophoben Arschloch würde er es heimzahlen. Aber richtig.
Die zweite Liveshow lief super, und Tanya vergaß im Scheinwerferlicht die ganze verquere Woche davor. Heute ging es um die 80er, und sie war in ihrem Element: Sie wippte und schnippte und lobte den ganzen Abend, als ob nicht Chantal, sondern Tina Turner persönlich vorgesungen hätte; Cindy Lauper selbst anstelle von Xena so viel »Girl Fun« gehabt hätte und die »ewige Flamme« der Bangles in der Originalbesetzung das Studio und die Geräte zu Hause zum Strahlen gebracht hätte und nicht Xenas glockenheller Sopran.
Selbst Tanyas Jurykollegen hatten sich heute von ihrer eigenen guten Laune anstecken lassen, zumindest ansatzweise: Marco hatte sogar zwei Mal gelobt (einmal Dekolleté, einmal Vortrag), und das Pitterchen hatte wohl in seinem alten Witzearchiv gekramt und zwei Gags aus den 80ern gefunden, die wirklich lustig und nicht nur obszön waren. Aber der König des Abends war Sascha gewesen, der mit seiner Version von Boy Georges »Do you really want to hurt me?« richtig abgeräumt hatte. Irgendwie hatte er heute die perfekte Mischung zwischen Körperspannung und echtem Gefühl drauf – und die Tatsache, dass er den zweiten Refrain
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