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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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erläutern; Frau Rieseby hat so was auch schon angedeutet. Mir geht es nicht um den Reizwert der anderen Bilder, sondern um die Frage, wen man darauf erkennen kann. Daß die hier aufgetaucht sind, ist erfreulich, es besteht noch Hoffnung. Das war Henry, um Schuster zu ärgern. Die letzten Filme, die er hatte.«
    Genenger seufzte und verfiel wieder in seine Wortkargheit. »Erpressung. Wieso erkennen? Welche Hoffnung? Inwiefern ärgern?«
    Matzbach grinste den Privatbestatter an. »Welche Erpressung? Vielleicht deshalb erkennen. Hoffnung, daß andere auch noch existieren. Ärgern, weil Spiel verderben – Schuster nicht mehr fotografieren können. Blabla gut?«
    Genenger nickte und kehrte zu seiner Tischkante zurück, wo er stumm aufsaß.
    Matzbach wartete eine Weile, ebenfalls stumm. Aus anderen Räumen war die Suche vernehmbar; bis jetzt hatte aber noch niemand Triumphgeheul ausgestoßen. Schließlich sagte er: »Wie war das mit der Erpressung?«
    Genenger zupfte wieder an seiner Nase, als sei sie noch nicht lang genug. »Genau weiß ich’s nicht. Aber damit hat er sich vor Jahren sein Startkapital beschafft.«
    »Hat er einen von Ihnen erpreßt?«
    »Nein. Ich sag ja, ich weiß nicht genau, aber es muß ein schmieriges Geschäft gewesen sein. Seitdem ist er immer mieser geworden.«
    »Wie meinen Sie das – mieser?«
    »Sie haben ihn doch selbst kurz kennengelernt.«
    »Ja, aber abgesehen vom Schmutz ist mir nichts aufgefallen. Er war mir nicht sympathisch, aber ich kann nichts über seinen Charakter sagen.«
    Genenger starrte auf Matzbachs Nase, dann auf die glühende Spitze der Zigarre. »Wir konnten ihm nicht verbieten herzukommen, er hat genausoviel Recht wie jeder andere, hier zu sein. Aber wir haben ihn von unserer Matratzenolympiade ausgeschlossen.«
    »Nur wegen seiner Unsauberkeit? Das reicht zwar, aber war das alles?«
    »Nein. Bei solchen Großveranstaltungen kommt es vor, daß einer nicht mehr kann oder nicht mehr mag. Das ist normal. Aber Schuster hat dann tagelang gehässig über nichts anderes geredet und hinterher Briefe geschrieben. Mit Anreden wie ›Teure frigide Freundin‹ oder ›Mein lieber impotenter Junge‹ oder so. Das nervt. Und er hat da oben pausenlos gelabert. Was ich bei einer komplizierten Stellung nicht hören möchte, sind Details über die Verdauung des Wisents oder die Mauser des Paradiesvogels.« Genenger verstummte; er wirkte vollkommen erschöpft nach einer so langen Rede.
    Matzbach wollte weitere Fragen stellen, aber nun kamen nach und nach die anderen zurück. Genenger, mit bläulichem Overall, lehnte immer noch an der Tischkante. Seine Füße in groben Lederschuhen standen falsch; der Bestatter hatte das Spielbein über das Standbein geschlagen. Henry Hoff, mit Breitkordhose, Khakihemd und Hauslatschen, murmelte vor sich hin und ging zum Sofa, wo er sich neben Vespasian niederließ und den Marder betrachtete, als sei dieser für alles Ungemach der Welt verantwortlich. Arthur Melcher, mit senfgelber Latzhose, quittengelbem Flanellhemd, zitronengelben Socken und Jesuslatschen nahm einen Stuhl und schleppte ihn zu einem der Gartenfenster; dort ließ er sich rittlings nieder, Bauch zur Lehne, Gesicht zum Zimmer. Der weiße Schal hing rechts und links über die Lehne hinab, wie Flügel eines schwindsüchtigen Schwans vor dem Abgesang.
    Evita Rieseby stand in überfüllten Jeans und einem Sweatshirt neben dem Schrank und starrte auf den Frühstückstisch. Adelheid Koslowski ließ sich in einen Sessel nahe dem Kamin fallen; dort hatte sie alle anderen im Auge. Ihre Finger spielten mit den Fransen der schwarzen Mantilla über dem rosa Herrenhemd; um die Knie waren etwa drei Handbreit ihrer Storchenbeine zu sehen, darüber ausgefaserte Bermuda-Jeans, darunter Samtgamaschen. In den Riemchensandalen kamen Hammerzehen zur Geltung. Susanne Steul ließ sich vorsichtig auf der schiefen Holzbank links der Tür nieder. Passend zu den Ereignissen trug sie schwarze Lackstiefeletten, schwarze Leinenhose und schwarzen Pullover. Ihre Hände lagen im Schoß, nach innen gedreht wie die Füße eines übertragenen Säuglings; sie öffneten und schlossen sich immer wieder.
    Vor dem flackernden Kaminfeuer, aus jedem Blickwinkel von Flammen und Rauch umspült, standen 190 Zentimeter und 120 Kilogramm Matzbach mit orientalischen Pantoffeln, grüner Wollhose, schlabbernder Jacke aus dunkelbraunem Kord, hellbraunem Tweedhemd und kokelnder Zigarre. Er hatte die Hände in die Taschen der Jacke gerammt.

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