Mörder und Marder
dauernd. Es gibt Leute, denen sollte man weder Adresse noch Telefonnummer mitteilen.«
»Anschrift und Nummer des Fernsprechanschlusses. Wenn du schon kategorische Erlasse absonderst, dann bitte auch im entsprechenden Kauderwelsch.«
Henry legte die Zigarette in den Aschbecher. »Ja, ja, ja. Is ja gut. Also: Ich bin jetzt freier Philosoph. Mit einer Praxis zwischen Ärzten und Anwälten in der Cassius-Bastei.«
Matzbach kniff ein Auge zu; dann trank er den ausreichend geschwenkten zweiten Cognac und leerte die angefangene Tasse. »Du willst mich auf den Arm nehmen, wie?«
»Bei deinem Gewicht?« Hoff zog die Brieftasche, zückte eine Visitenkarte und legte sie auf Baltasar an.
Der Dicke nahm das Stück Bütten und las:
H ENRY H OFF
P HILOSOPH
Cassius-Bastei
Bonn
Dann ergriff er den dritten Cognac und schnüffelte, ohne zu trinken. »Ich bin sprachlos; kein Wort fällt mir dazu ein.«
Hoff nickte. »Sehr gut. Dich sprachlos zu sehen war schon lange mein Wunsch.«
»Und wie machst du das, mit dem Philosophieren?«
»Ach, das ist ganz einfach. Ich werde in der nächsten Ausgabe des Branchenverzeichnisses als
Philosoph
stehen, mit Nummer und Sprechstunden. Bis jetzt sitz ich in meiner Praxis und berate Laufkundschaft.«
»
Du
willst doch nicht im Ernst sagen, du hast so ein ulkiges Blechschild vor der Tür, darauf steht Philosoph, und orientierungslose Menschen, die zum Einkaufen in die City pilgern, kommen einfach so auf einen Schwatz bei dir vorbei?«
»Doch, genau das tun sie. Ich hab kurz vor Weihnachten damit angefangen, also ungefähr zweieinhalb Monate Erfahrung, und ich kann dir sagen: Es läuft.«
Matzbach bestand darauf, mehr zu erfahren. Nachdem sie ihre Getränke verbraucht hatten, machten sie sich auf den Weg zur Cassius-Bastei, einem weitläufigen Bunkerkomplex aus Rigips, in Bahnhofsnähe; Gruppen ansehnlicher Altbauten hatten dafür sterben müssen.
Im zuständigen Aufzug prangte Hoffs Name an einem Schildchen neben dem Knopf für die entsprechende Etage. Sie gingen einen mit Teppichboden ausgelegten Flur entlang.
Schließlich blieb Hoff stehen, deutete auf eine Mahagonitür, das Schild neben der Klingel und sagte triumphierend: »Da!«
Das Büro bestand aus einem großen Raum mit englischem Eibenschreibtisch, Chefsessel, zwei Kundensesseln aus weichem Leder und einer Couch. An den Wänden zogen sich Eichenregale hin, die erst zum Teil gefüllt waren. Baltasar wanderte umher und überflog die Titel auf den Buchrücken.
Hoff sah ihm vergnügt zu. »Dir ist natürlich klar, daß ich mir so endlich alle erstklassigen Ausgaben der tausend Denker anschaffen kann, nicht wahr? Arbeitsmaterial, unbedingt notwendige Fachliteratur. Mein Steuerberater meint, auch die siebenunddreißig Bände Plinius gehören zu den nötigen Aufwendungen.«
Matzbach hielt eben einen der alten Bände der lateinischfranzösischen Parallelausgabe der
Naturalis Historia
in der Hand und rümpfte die Nase. Es sah aus wie Verachtung, war aber der pure Neid.
Auf einer Kommode nahe dem großen Schreibtisch stand die lebensnotwendige Kaffeemaschine; Hoff tätschelte sie. »Hm?«
Matzbach nickte, ohne hinzusehen. »Hm!«
Hoff nahm die Glaskanne und ging ins Bad, in dem neben Dusche, Toilette und Waschbecken gerade noch Platz für einen Getränkekühlschrank war. Er füllte die Kanne mit Wasser, holte Filterpapier und Kaffee aus einer Schublade der Kommode und zelebrierte dies alles wie eine große Amtshandlung.
»Hast du auch was, um den Kaffee zu verdünnen?«
Hoff deutete auf ein Kabinett zwischen den Büchern.
Matzbach öffnete es, musterte die Etiketten und fischte einen Gran Duque de Alba heraus. »Respekt. Habe die Ehre. Respekt.«
Hoff setzte sich in seinen Chefsessel und legte die Beine auf die grüne Lederplatte des Schreibtischs. »Sie dürfen sich setzen, Herr Kollege.« Er deutete auf einen der Sessel.
Matzbach stellte die Flasche ab, holte aus dem Kabinett ein Whiskyglas, füllte es bis zur Hälfte mit Brandy und versenkte sich in dem weichen Leder. »Schön haben Sie es hier.« Er roch an dem Getränk. »Gutes Frühstück. Aber den Kollegen verbitte ich mir. Ich bin schließlich kein ziellos denkender Philosoph, sondern ein erfolgreicher Detektiv.«
Henry wackelte mit den Füßen. Auch die unauffällig eleganten Lederschuhe waren neu. »Wieso nur Detektiv? Du bist doch auch Berater in allen Lebensfragen, oder? Hast du etwa
Frau Griseldis
abgegeben?«
Matzbach seufzte. »Nein, noch immer nicht. Die
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