Mörder und Marder
zahlen zu gut. Ich brauche das Geld zwar nicht, aber ich habe mich an den wöchentlichen Tausender so gewöhnt, daß ich ihn vermissen würde.«
Die Kaffeemaschine gluckerte. Hoff veränderte durch gekonnten Hüftschwung seine Position, griff in eine Schreibtischschublade und holte ein Kästchen hervor. »Ich hab damit gerechnet, dich früher oder später hier begrüßen zu müssen.« Er schob das Kästchen über die Platte. »Du hast, seit wir uns getroffen haben, noch nicht geraucht. Hast du etwa aufgehört?«
Matzbach schüttelte den Kopf. Er schnupperte mit geblähten Nüstern an den Partagás, nahm einen kleinen Mundvoll Brandy, gurgelte, bis er die kubanische Spitze abgeschnitten hatte, schluckte, riß ein Streichholz an und begann zu nuckeln. Schwerer, süßlicher Duft füllte den Raum. Baltasar rülpste mächtiglich.
»Ach ja. So. Und nun erzähl mir doch mal, wie du darauf gekommen bist, und wie das im täglichen Einsatz aussieht.«
Hoff verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Tja, im Prinzip war das doch ein naheliegender Gedanke, oder? Alle möglichen Irren verkaufen anderen Irren irre Ratschläge. Wie man Migräne los wird. Wie man sein Geld los wird. Wie man das perfekte eheliche Glück erreicht, ohne zu heiraten. Dann die Kanaillen, die seit Jahrhunderten erläutern, wie man den perfekten Staat einrichtet, in dem keiner es aushallen kann. Angefangen bei Plato. Addiere die ganzen Gurus und Sekten, die sich zur Zeit breitmachen, vom großen reisenden Guru in Rom bis zu Scharlatanen wie Bhagwan. Oder Hubbard, der mit Science-Fiction nicht genug verdient hat und sich jetzt von Mitläufern und Heilssuchern seine erstunkene Religion finanzieren läßt. Da hab ich dann gedacht, daß offenbar ein großer Bedarf an Rat und Hilfe besteht.«
»Wohl wahr. Wie du auch in meinem Fall siehst.«
»Na ja, also,
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find ich nicht besonders hilfreich. Aber jedenfalls herrscht Bedarf. Und da hab ich mir gedacht, wenn finstere Ärsche das ausnutzen, indem sie Nonsens vertreiben und sich dafür bezahlen lassen, warum soll ich es denn nicht auch ausnutzen und den Leuten die klugen Dinge näherbringen, die weise Menschen der letzten Jahrtausende über ihr spezielles Problem gesagt haben?«
»Ja. Warum nicht? Ich habe aber in deinen Regalen auch Wittgenstein, Heidegger und Konsorten gesehen. Wen willst du denn
damit
trösten?«
»Vielleicht ergibt sich sogar eine praktische Rechtfertigung für die Existenz von Adorno. Wer weiß.«
Matzbach zitierte einen Satz des amerikanischen Satirikers Tom Lehrer über zeitgenössische Philosophen, die ihre hilfreichen Ratschläge besonders gern gegen jene Leute richten, die glücklicher sind als sie.
»So ungefähr.« Hoff nickte. »Aber die Vorstellung, Philosophie sei etwas Hilfreiches, ist antiquiert.«
»Ja. Sie findet sich allenfalls noch bei Menschen, wogegen Philosophen und Professoren nichts davon wissen wollen.«
»Nun laß doch mal diese Spitzfindigkeiten. Sind Philosophen und Professoren vielleicht keine Menschen?«
»Nicht eigentlich. Man muß unterscheiden zwischen
homo sapiens
, dem Angehörigen einer aussterbenden Rasse, und
homo doctus
, dem Außenseiter einer aussterbenden Rasse. Professoren und Philosophen gehören letzterer Sorte an. Sie befassen sich in unverständlichem Jargon mit Dingen, für die sich keine Sau interessiert und die nichts bewegen, während die armen Säue immer noch der Meinung sind, man müsse vor ihnen Respekt haben, denn sie hülfen vielleicht.«
Hoff warf der langsamen Kaffeemaschine einen verzweifelten Blick zu.
»Aber letztlich«, setzte Baltasar düster hinzu, »hülfe es ja doch keinem, selbst wenn ein Jegliches seine Zeit hätte und von Rost und Motten Zerfressenes gewönne, dort, wo Heulen ist und der dreißigste Silberling mit seinem letzten Zahn knirscht, ob er ihn auch verlöre.«
Hoff schluckte etwas Größeres herunter und stand auf; er belauerte die letzten Tropfen, die in den Filter stürzten.
»Übrigens eine interessante Frage, die ich mir als Greis einmal stellen werde. Ob man mit einem Zahn noch knirschen kann? Wieso nicht? Ich kenne auch Leute, die mit einem Auge noch schielen.«
Die Aromen von Partagás und Kaffee rangen um die Vorherrschaft. Hoff füllte zwei Becher und stellte Baltasar einen unter die Nase. »Sauf und schweig«, sagte er. »Jedenfalls hab ich mir gedacht, wenn so viele Verbrecher Unsinn als Rat verkaufen und dabei doch nur Geld und Macht haben wollen, verzichte ich
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