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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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gern auf Macht und nehme Geld für philosophische Perlen, die alt und ehrwürdig sind. Einige sind sogar ausgesprochen hilfreich.«
    Matzbach gestikulierte mit der Zigarre, deutete auf ein Regal, in dem Seneca, Epikur, Albertus Magnus und die Autobiographie von Giambattista Vico sich vertrugen. »Du sitzt also hier herum, bis jemand vorbeikommt, der ein Problem hat, und dann sagst du ihm, was die hilfreichen Älteren dazu zu sagen haben?«
    »So ungefähr. Immerhin hab ich ja Philosophie studiert.«
    »Und lange genug arbeitslos warst du auch. Ja, ich gebe zu, das ist ein guter Einfall. Die Rückführung der Philosophie zu ihrer eigentlichen Aufgabe. Seit sich die Bastarddisziplinen Sozio-, Psycho- und Sonstwaslogie von der Allmutter Philosophie gelöst haben und abgehoben um sich selbst kreisen, wie? Wo hat der Satz angefangen? Jedenfalls, seit sich die Philosophie aufgespalten hat, hilft von alledem nichts mehr. Das ehemals Hilfreiche an ihr hält sich für eigenständige Wissenschaft, statt für hilfloses Tasten in der Finsternis, und der Rest ist impotente Theorie. Nein, ich sage ja. Prost. Auf dein Wohl. Und hat es schon angefangen zu laufen?«
    Hoff nickte, lächelnd. »Ich will nicht deine schlechte Meinung über die Psychologie bekräftigen, wenn ich jetzt nicke. Aber ja, es läuft schon ganz gut.«
    Baltasar grunzte. »Psychologie ist der Versuch, dem Menschen einzureden, daß er sie brauche. Matzbach. Psychoanalyse ist jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält. Kraus.«
    »Wie hält Ariane das nur so lange mit dir aus?«
    Baltasar schloß die Augen. »Hält sie ja gar nicht. Aber es ist schön, daß es bei dir läuft. Wie sieht das Laufen denn aus?«
    Henry starrte ihn an. »Wieso hält sie gar nicht? Habt ihr Schluß gemacht?«
    Baltasar öffnete ein Auge. »Sie meinte, anderthalb Jahre mit einem Ungeheuer reichen. Wir werden hinfort gelegentlich Kaffee trinken.
Finis
. Also, wie ist das mit dem Laufen?«
    »Aber wieso denn? Ihr seid doch so gut miteinander ausgekommen?«
    »Hör auf, in meinem Gemüt stochern zu wollen«, sagte Matzbach. Er öffnete nun auch das zweite Auge. »Ich habe keins.«
    Hoff nickte ergeben. »Ich weiß. Trotzdem – was wäre ich für ein Freund, wenn ich nicht Anteil an deiner Seele nähme? Nun erzähl doch schon, Mensch.«
    »Meine Freunde sind mir zu schade, um sie mit meinen Innereien zu behelligen. Hast du viel Kundschaft?«
    Hoff seufzte. »Es geht. Manchmal ruft jemand an, aber häufiger kommt einfach einer rein, setzt sich da hin, erzählt mir, was er auf der Seele hat, ich sage ihm, was Seneca oder Heraklit oder Augustinus dazu meinen. Dann nehme ich einen Fünfziger entgegen, und ein erleichterter Klient verläßt den Raum.«
    »Erleichtert ist zweideutig.«
    »Ich meine: seelisch erleichtert. Es ist erstaunlich, wie viel Hilfreiches sich bei den alten Denkern finden läßt. Und wie wenige Leute sie gelesen haben.« Er grinste und holte eine Art Rezeptblock aus einer Schublade. »Hier. In schwierigen Fällen schreibe ich Autor und Titel auf. Senecas
Briefe an Lucilius
sind in letzter Zeit in Bonn gut verkauft worden. Man hat sich darauf eingestellt und hält sie vorrätig.«
    »Und du findest nicht, daß du Hilfesuchende ausbeutest?«
    »Keineswegs, mein Lieber. Erstens zahlst du mehr, wenn zum Beispiel ein IBM-Mechaniker deine Schreibmaschine repariert, und vielleicht ist mein Magister nicht mehr wert als sein Diplom, aber auch nicht weniger. Zweitens ist das keine Forderung, sondern ein Angebot. Ich sage nur: ›Wenn Sie meinen, ich hätte Ihnen geholfen, dann nehme ich gern fünfzig Mark entgegen. Wenn nicht, bedaure ich, Ihnen nicht geholfen zu haben.‹ In diesem Fall nehme ich auch kein Geld.«
    »Nobel.«
    »Nein, ich finde das normal.«
    »Das hängt von der Definition ab.« Matzbach betrachtete mißmutig die Zigarre; sie war erloschen. »Norm wäre dann etwas, an das sich keiner hält.«
    »Von mir aus. Jedenfalls habe ich zur Zeit vier bis sechs Klienten pro Tag. Ich schreib ihnen nicht vor, was sie zu tun haben; ich red ihnen keine Verdrängungsdisziplin ein, sondern sag ihnen, was andere zu diesem Thema gedacht und gesagt haben. Und zwar durchaus widersprüchlich. Das heißt, ich gebe keine vorgefertigten Antworten, sondern verschiedene Handwerkszeuge, mit denen sie sich selbst helfen können.«
    Matzbach zündete die Zigarre wieder an. »Mir gefällt das. Das ist eine gute Sache. Sie könnte mir eingefallen sein.«
    Hoff füllte Kaffee nach.

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