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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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leben?« sagte Baltasar. Sie befanden sich wieder im Kaminzimmer. Der Marder döste auf dem Sofa, und Jorinde hielt ihre Füße dem Feuer entgegen.
    »Natürlich. Nicht alle sind solche finsteren Rationalisten wie Sie. Wie kommt es eigentlich, daß Sie so viel davon wissen, aber alles für Unsinn halten?«
    Matzbach holte die letzte Zigarre aus seinem Etui. »Muß man sich mit allem identifizieren, was man liest? Darf man nicht Dinge interessant finden, ohne sie gleich für wahr zu halten?«
    Sie hob die Brauen; dabei fiel ihr etwas ein oder auf. Mit schnellen Bewegungen nahm sie die rötlichen Kontaktlinsen aus den Augen. »Grün«, sagte sie lächelnd, »das ist die Farbe der Venus und hat bei einem Haßritual nichts zu suchen.« Die Augen strahlten intensiver denn je.
    Baltasar betrachtete sie erstaunt. »Das hatte ich gar nicht bemerkt. Böses Zeichen. Ich lasse nach.«
    Sie schwiegen. Der Marder rülpste, im Kamin knackte Holz. Matzbach paffte versonnen und füllte die Luft mit bläulichem Rauch. »Kupfer und Grün«, murmelte er. »Die Farben der Kypris. Die Aphrodite von der Kupferinsel Zypern. Etymologie ist was besonders Feines. Woher kommen Sie eigentlich?«
    Jorinde schoß wieder grüne Feuerbälle auf ihn ab. »Früher oder später mußten Sie mich das wohl fragen, nehme ich an.« Sie hob einen Fuß und betrachtete die Zehen; sie waren trocken. »Ob Sie es glauben oder nicht – aus einem Dorf in der Nähe von Braunlage, im Harz. Ich bin zu Füßen des Blocksbergs geboren.« Sie kicherte.
    Matzbach seufzte. »Sehr schön. Fehlt noch einer vom Kyffhäuser, dann haben wir alles, was gut und teuer ist in Deutschland.«
    Nach der kurzen Unterbrechung infolge angefachter Schaulust wurden draußen weitere Schneerekruten ausgehoben und zurechtgeschliffen. Johlen und Kichern drangen bis zum Kamin.
    »Seltsam«, sagte Jorinde. Sie wies mit dem Kopf zum Fenster. »Oben liegt ein Toter, und alle tun, als ob nichts wäre.«
    »Die Psychologen nennen es Verdrängung. Das ist ein magischer Begriff. Aber Sie kennen ja Ihre Kollegen, die statt nichtexistenter Dämonen mutmaßliche Seelenzustände beschwören wollen, indem sie ihnen klingende Namen geben.«
    Sie zog den trockenen, warmen Fuß an sich und schob die Ferse unter ihr Gesäß. So prangte sie im Sessel und schwieg.
    »Können Sie mir etwas über Schuster erzählen?« sagte Baltasar schließlich.
    Einen Moment lang entfärbten sich ihre Augen. »Ein mieses Schwein. Selbst für menschliche Maßstäbe.«
    Matzbach grinste. »Wie darf ich das mit den Maßstäben verstehen?«
    »Normen richten sich an Maximalforderungen aus. Tugend ist gewissermaßen übermenschlich. Menschlich sind Gehässigkeit und Eigennutz. Aber selbst nach menschlichen Maßstäben war Schuster eine Sau. Nicht nur, weil er sich selten gewaschen hat. Er hat sein Startkapital mit einer Erpressung gemacht.«
    Baltasar beugte sich vor. »Das klingt, als ob Sie mehr darüber wüßten als die anderen.«
    »Muß ich wohl.« Sie klang bitter; in ihre Stimme kam Schärfe. (Als wäre, dachte Baltasar, der venezianische Glasdolch gedreht worden und wiese nun mit der Schneide auf den Betrachter.) »Er hat mich mal besucht, ganz am Anfang, nach dem Examen. An dem Abend hatte ich eine Schwarze Messe. Ich habe Gaspard mitgenommen; schließlich waren wir ja alte Freunde. Beinahe. Unter den Anwesenden war die Frau eines Staatsministers aus Düsseldorf. Ich habe das nicht gewußt, aber Schuster hat wohl mal Fotos von ihr und ihrem Mann gesehen. Ich glaube, er hat an die hunderttausend rausgeholt. Und für mich waren diese Kreise nicht mehr zugänglich.«
    Matzbach nickte langsam. »Kann ich verstehen. Aber Sie haben den anderen nie davon erzählt?«
    »Nein. Meinen eigenen Leichtsinn weitertratschen?«
    »Wissen Sie sonst etwas, was uns zum Mörder führen kann? Oder zur Mörderin? Oder haben Sie Schuster getötet?«
    Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu. »Das würde ich Ihnen gerade erzählen. Ich glaube, ich weiß sonst nichts. Außerdem habe ich ein Alibi.«
    »Und das wäre?«
    »Oben gibt es neun Zimmer. Aber niemand wollte in Schusters Nähe schlafen. Also blieben für uns sieben nur die sechs Räume am ersten Flur übrig. In meinem steht ein sehr breites Bett. Evita und ich haben da geschlafen. Die ganze Nacht.«
    »Was Sie nicht entlastet«, sagte Baltasar freundlich. »Sie könnten, genauso wie Evita, nachts mal schnell aufgestanden sein ...«
    Sie lächelte. »Da haben Sie recht. Haben Sie schon was

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