Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
in den Fleischwolf und drehte sie durch.
    Im Schrank neben der Tür fand sich eine große alte Kasserolle. Baltasar warf den Rest Butter hinein und stellte sie auf den Herd. Nachdenklich klapperte er mit dem Deckel. »Da fehlt was«, erklärte er der Ratte, die eine Ruhepause einlegte oder resigniert hatte. »Wenn ich nur wüßte«, beklagte er sich bei der Tür zur Vorratskammer, »was fehlt.« Er schnaubte. »Ich hab's«, teilte er dem Herd triumphierend mit.
    Die Küche verdunkelte sich. Vor dem Fenster tauchte ein gräßlicher Kopf aus Schnee auf, der mit Melchers weißem Schal als Turban versehen war und dreinblickte, als werde er bald das Jüngste Gericht für eröffnet erklären. Matzbach nickte ihm respektvoll zu und wühlte in einer Kiste, die neben dem Schrank stand und vor allem Putzlappen sowie sieben ältere Gummihandschuhe enthielt. Schnalzend hob er eine Flasche hoch. »Brennspiritus. Ja, gut. Ausgezeichnet.«
    Er ging zum Herd zurück und schüttete die Erbsen in den Reisnudeltopf. Die Butter in der Kasserolle hatte sich aufgelöst, wurde braun und zischte. »Reg dich ab«, sagte Matzbach. »Sonst zisch ich zurück. Und du wirst sehen, ich bin lauter.« Er schüttete die Bockwürste zu Nudeln, Reis und Erbsen; dann riß er die Joghurtbecher auf und goß den Inhalt in die Kasserolle.
    Die Brotkrusten stanken verbrannt. Baltasar bestreute sie mit dem Käse. Aus dem Schrank holte er ein großes Korbsieb, stellte es in den Ausguß, umwickelte sich die Hände mit einem Handtuch und nahm den Reisnudelerbsenwursttopf vom Herd. Er goß alles mit Schwung ins Sieb.
    In der Kasserolle begann der Joghurt zu detonieren. Baltasar fischte die Bockwürste aus dem Sieb, nahm die Schüssel mit der Klops-, Aufschnitt- und Eiersubstanz vom Boden, stellte sie auf den Tisch, kippte den Inhalt des Korbsiebs darüber und rührte alles mit zwei Holzlöffeln gut durch. Das entstandene Gemenge schleppte er zum Herd und füllte die Joghurtkasserolle damit. Es war eine
sehr
große Kasserolle, und sie bot noch etwas Platz.
    Nachdenklich betrachtete Baltasar die unverbrauchten Ingredienzen. Dann leerte er die Kasserolle in die Schüssel und löffelte einen Teil der Serbischen Bohnensuppe in das große gußeiserne Kochgeschirr. Darüber breitete er eine Schicht Brotteig; darüber eine Schicht Nudelreiserbsenjoghurtklopsaufschnitt. So füllte er die Kasserolle bis knapp unter den Rand. Dann verteilte er die Bananenscheibchen darüber und leerte die Pfanne mit den angebrannten Brotrinden und dem zerlassenen Käse auf das Ganze. Er steckte einen Finger hinein, schmeckte ab, schüttelte den Kopf. »Da fehlt noch was.« Hinten im Schrank entdeckte er eine Flasche mit angeschimmeltem Sojaöl. Befriedigt nahm er sie und goß sie über das blubbernde Gemisch. Er legte die Bockwürste sternförmig auf die oberste Schicht und verteilte die zerquetschten Eierschalen in den Zwischenräumen. Den Brennspiritus musterte er fragend, zögerte, raffte sich auf und ließ einiges aus der Flasche über die Kasserolle schwappen. Dann zündete er ein Streichholz an und flambierte das Stew à la Matzbach.
    Hustend riß er das Küchenfenster auf, grinste den Schneetroll an und floh in den Korridor.
    Im Kaminzimmer quengelte der Marder, als gelte es sein Leben. Die Schneefans hatten sich halb um das Haus herumgearbeitet. Ein Blick aus dem Fenster zeigte Baltasar, daß sie alle aussahen wie häßliche Ganzkörper-Schneewittchen. Sie erreichten die Ecke der Frontveranda und begannen mit der Konstruktion passender Zwerge.
    Schritte auf der Treppe. Jorinde Seyß kam durch den Korridor und trat ins Zimmer. Matzbach riß die Augen auf, dann ließ er sich rücklings in einen Sessel fallen und brüllte vor Lachen.
    Die Hexe hatte sich nach dem Bad nicht abgerieben, sondern die säuerliche rote Flüssigkeit auf der Haut trocknen lassen. Das feuchte Haar glomm dunkelrot. Der warme Ton der Fingernägel war durch ein aggressives Scharlachrot ersetzt. Die gleiche Farbe biß an den Fußnägeln. Trotz der Kälte ging Jorinde barfuß. Gesicht, Arme und Beine, soweit unter dem Rock sichtbar, zeigten wie die Füße Spuren der rötlichen Flüssigkeit. Der Rock war giftigrot; fünfzackige Sterne hoben sich schwarz davon ab. Sie waren aufgenäht.
    Jorinde blieb vor Baltasar stehen und lächelte kühl. »Was finden Sie so witzig?«
    Baltasar verschluckte sich. Die Ratte in seiner Tasche spielte verrückt, der Marder heulte, vor dem Fenster tobten die Schneemannschaften, und

Weitere Kostenlose Bücher