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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Matzbach strampelte mit den Beinen. »Was ich so witzig finde?« brachte er mühsam heraus. »Na, Sie, Sie Hexe, was sonst?«
    Jorinde runzelte die Stirn. »Was verstehen Sie denn wohl davon?«
    Baltasar setzte die Füße wieder auf den Boden. »Nicht viel. Ich war schließlich nur Dozent für oder gegen Okkultismus. Privatdozent, versteht sich, für privaten Okkultismus.«
    Sie blickte zweifelnd auf ihn hinab; in ihren Augen standen einige Fragen, umspielt von einem verhaltenen Lächeln. »Was sehen Sie denn, wenn Sie mich betrachten?«
    Matzbach hustete. Er deutete auf Objekte in ihren Händen. »Sie haben neun Knoten in einen roten Faden gebunden. Das heißt, Sie wollen entweder jemandem einen unangenehmen Tod an den Hals hexen oder aber einen unangenehm Gestorbenen zur Mithilfe bei etwas anderem zwingen. Rot ist Blut, Tod, die Farbe des Mars in der Magie. Dazu gehört Eisen.«
    Er streckte verlangend die Hand aus. Jorinde legte ihre Rechte hinein, leicht und kühl. Er musterte den Ring am Mittelfinger. »Hab ich’s mir doch gedacht.« Er kicherte. »Eisen. Mit einem Rubin. Haben Sie das alles immer im Reisegepäck?«
    Sie lächelte, zog die Hand nicht zurück. »Das und andere Dinge.«
    Matzbach nickte. Er genoß das bemerkenswerte Bild und streichelte die schlanken Finger, die in seiner Hand lagen. »Fein«, sagte er. Ein Rückfallgelächter erschütterte seinen massigen Körper. »Ich hätte nicht gedacht, daß tatsächlich jemand in unserer Republik diesen Blödsinn betreibt. Glauben Sie etwa daran?« Mit einem kleinen Schrei ließ er ihre Hand los.
    Jorinde betrachtete die winzige Blutspur, die ihr Nagel in seiner Handfläche hinterlassen hatte. »Es ist eine Frage der Berechnung. Wollen wir zum Opfer schreiten? Beide Tiere haben dem Toten gehört. Er wird das wahrnehmen, drüben.«
    »Wollen Sie Schuster zurückholen? Mit ihm telefonieren?«
    »Nein. Ich will einen bestimmten ägyptischen Gott auffordern, uns bei der Suche nach dem Mörder zu helfen.«
    Matzbach zwinkerte. »Lassen Sie mich nachdenken.« Er hob die Hand an den Mund, um das Blut aus der Innenfläche zu lecken.
    »Nicht!« Jorinde packte sein Handgelenk.
    »Unsinn.« Sanft löste er den Griff ihrer Finger und beendete die vorgesehene Operation. »Nicht sehr schmackhaft.« Er betrachtete seine Hand; sie war wieder sauber.
    Jorinde seufzte nur.
    »Der Gott«, sagte Baltasar langsam, »an den Sie denken, wird im Ägyptischen Totenbuch erwähnt. Er ist der Führer einer Gruppe unheimlicher Gestalten, die Fallen stellen, Netze auswerfen und – nun ja, fischen. Nach allem möglichen. Der Boss, dieser Totengott, hat das Gesicht hinten.«
    Jorinde biß sich auf die Unterlippe. »Ich habe Sie unterschätzt. Aber wenn Sie all das wissen – warum lachen Sie?«
    Matzbach stand auf und klopfte sich auf den Bauch. »Weil ich
dieser
Welt angehöre. Sie ist absurd und nahrhaft, und in ihr ist kein Platz für ernstgenommene Magie.«
    Jorinde blieb stehen, als er an ihr vorbei zur Tür ging. »Sie werden es noch sehen«, sagte sie in den leeren Raum hinein.
    Matzbach grunzte. Er stand im Türrahmen. »Wie Sie meinen. Nehmen Sie den Marder?«
    Auf der Veranda ließ Jorinde Vespasian laufen, nachdem sie die Haustür zugezogen hatte. Das Tier konnte nirgends hin; die Treppe zum Garten lag unter dickem Schnee, der eine Wand bildete. Sie ragte hoch über den Verandaboden.
    Jorinde zog Kreide aus einer Rocktasche und machte sich an die Zeichnung eines fünfzackigen Sterns. Das Pentagramm zeigte mit zwei Zacken aufwärts.
    Matzbach lächelte schief. »Ein böses Pentagramm, ei. Ich ziehe das gute vor, das mit nur einem Zacken nach oben weist. Aber vielleicht ist das Gute eine mangelhafte Form des Bösen. Böses, dem ein Zacken aus der Krone gefallen ist, sozusagen.«
    Jorinde reagierte nicht; sie murmelte unverständliche Dinge. Der Lärm hatte aufgehört; die Schneeleute starrten, so gut es ging, über das Verandageländer.
    Schließlich richtete Jorinde sich auf. Sie blieb einen Moment mit geschlossenen Augen stehen. Als sie die Lider öffnete, sah Baltasar, daß die Pupillen vergrößert waren; die Augen waren rot. »Geben Sie mir die Ratte!«
    Baltasar zog das Tier aus der Tasche und reichte es ihr. Sie setzte es mitten ins Pentagramm, wo die Ratte verwirrt hocken blieb. Am anderen Ende der Veranda knurrte der Marder, und Baltasar trat zurück. Jorinde blieb mit bloßen Füßen auf einem Zipfel eingesickerten Schnees stehen.
    »Und von so was können Sie

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