Mörder und Marder
zufällig wischte sie die strategisch wichtigen Teile schaumfrei.
Baltasar betrachtete sie. »Zugegeben, das gefällt mir viel besser als die Interviews drüben. Sie sind, Madame, lebendig wesentlich ersprießlicher zu betrachten als Schuster tot. Ich weiß nicht, welches Spiel wir jetzt spielen. Sie sollten aber den alten maghrebinischen Kernsatz nicht vergessen: ›Suche nicht, deine Großmutter durch deines Leibes Blößen zu schrecken; sie kennet derlei‹.«
Susanne hockte sich in die Wanne. »Wahr gesprochen, Großmutter. Schrecken wollte ich Sie auch nicht. Wenn Sie, wie Sie sagen, sogar mit sich selbst per Sie verkehren, kann man daran nichts ändern. Vergessen wir das Duzen und Siezen. Aber wie steht es mit dem Verkehren?«
Matzbach zupfte an einem seiner langen, halb behaarten Ohrläppchen. »Ahaua. Huh. In der Wanne?«
»Warum nicht? Ich habe keinen ätzenden Badeschaum genommen. Ein sanfter Kinderbadezusatz; gut für empfindliche Haut wie meine. Und bestimmt auch für dicke wie Ihre.«
»Na ja. Die Wanne sieht stabil aus. Aber Sie überraschen mich.«
Die warmen braunen Augen zwinkerten. »Sieht man mir nicht an, wie? Warmes Wasser macht mich sinnlich.«
Matzbach stand auf und schob den Schemel mit einem Fuß zurück. »Was ich nicht begreife, ist, daß Sie Portraitrice sind. Meinen Sie nicht. Sie könnten als aquatische Hetäre bessere Umsätze machen?«
Susanne patschte in den Schaum. »Vielleicht. Aber man muß nicht jedes Hobby zum Beruf machen. Wissen Sie, ich lebe seit zwei Jahren mit einem der wichtigsten Kunstkritiker aus Düsseldorf zusammen. Er weiß bis heute weder, daß ich nicht malen kann, noch, daß warmes Wasser mich sinnlich macht.«
Matzbach wanderte zur Tür. Er drehte den Schlüssel im Schloß, zog seine Kordjacke aus und hängte sie an die Klinke. Seine Hand war einen Moment unter dem Stoff. »Wie machen Sie das eigentlich, mit dem Portraitieren?« sagte er. Dabei knöpfte er sein Hemd auf.
»Ganz einfach.« Susanne sah ihm beim Ausziehen zu. »Ein alter Bekannter hat mir eine Art
camera obscura
konstruiert, mit verstellbaren Linsen, zum Vergrößern. Die Leinwand lege ich schräg auf einen Kasten, in dem Pinsel und Tupfer und so was liegen. Sieht aus wie ein altes Stehpult. An der Vorderseite ist die Kameraöffnung. Das Bild des Kunden wird mir über ein paar Spiegel von unten gegen die Leinwand projiziert, und ich male es aus. Das ist alles.«
Matzbach warf seine Hose über den Schemel. »Klingt ganz einfach. Und Sie bereiten mir das Vergnügen des niedlichsten Verhörs, von dem ich je vernommen.«
Sie nickte und kicherte; dann streckte sie die Hand aus. »Kommen Sie, Sie Walroß.«
»Interessantes Verfahren«, sagte Matzbach. Er lag entspannt in der bestenfalls noch halb gefüllten Wanne. Mit dem Fuß aktivierte er den Heißwasserhahn und seufzte. »Gut. Ahhah-hah-hm. Jabadabah.«
Susanne stand auf dem durchnäßten Vorleger. Sie trocknete sich ab und sah lächelnd auf den Dicken hinunter. »Na, ich finde, jetzt können wir uns aber wirklich duzen.«
Matzbach warf einen Blick auf den dampfenden Wasserstrahl und hob die Hand wie zur Abwehr eines Luftangriffs. »Mitnichten. Nein, überhaupt nicht. Diese zugegeben netten Intimitäten, noch dazu im Wasser, geben keinem das Recht, die allzeit angebrachte vornehme Distanz durch Vertraulichkeiten zu zersetzen.«
Sie kicherte und rubbelte ihre Beine ab. »Du bist eine seltsame Nummer. Das meinst du doch nicht im Ernst, oder?«
Er stellte mit dem Fuß die Wasserzufuhr wieder ab. »Doch. So habe ich es gemeint. Sie dürfen mich nicht nur wörtlich nehmen, sondern sogar zitieren.«
»Bitte, wie Sie meinen«, sagte sie. Es klang sehr kalt. Sie warf das Handtuch auf den Boiler und bückte sich nach der Unterwäsche und ihrem kurzweiligen Frotteeviereck, richtete sich jedoch gleich wieder auf. »Die laß ich liegen. Sind sowieso naß. Ich hab ja noch was zum Anziehen.«
Baltasar beobachtete sie mit mildem Lächeln.
Sie sah sich um. »Meine Uhr«, murmelte sie. Sie warf ihm einen bösen Blick zu. »Vielleicht unter Ihren Sachen auf dem Schemel?«
Er antwortete nicht. Sie nahm sein Hemd und seine Hose unter den Arm und betrachtete den Schemel. »Nein. Da ist sie nicht.«
Baltasar grunzte und streckte sich langsam aus. Er schloß die Augen und seufzte. »Schönes Wetter hier«, sagte er. Er öffnete die Augen wieder und sah zu, wie Susanne Steul mit seinen Sachen unter dem Arm zur Tür lief, die Jacke von der Klinke löste und
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