Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
materiellen Gründen.
Da Richter und auch die andern Beschuldigten den Ehebruch mit Käthe abgestritten hatten, wies das Gericht die Scheidungsklage von Mertens zurück. Aber der Juwelier war nicht gewillt, diese Entscheidung hinzunehmen. Er ging in Revision und brachte im Prozess der zweiten Instanz Zeugen, die auch das intime Verhältnis zwischen Dr. Richter und Käthe bestätigten. Daraufhin verfügte das Gericht die Scheidung.
Nun war Käthe schuldhaft geschieden. Es blieb ihr nur die Hoffnung, Dr. Richter werde ihr finanziell zur Seite stehen. Sie zog mit dem Kind zu ihrer Mutter. Jetzt teilte sie mit Richter die gleiche Wohnung, was ihrer Beziehung nur förderlich sein konnte. So jedenfalls glaubte Käthe. Richter dagegen spürte wachsendes Unbehagen. Denn Käthe berichtete ihm, sie habe einen adligen Herrn, den Staatsanwaltsrat v. Wersch, kennengelernt, der wolle sie heiraten. Zugleich betonte sie, sie würde viel lieber ihn, den Doktor, zum Mann haben. Richter war unsicher, ob Käthes Beziehung zum Staatsanwaltsrat das Ende ihrer Beziehung einläutete oder ob sie ihn damit nur zu einer Entscheidung, nämlich sie zu heiraten, drängen wollte.
Vielleicht ließ auch die allzu große Nähe Richters und Käthes Leidenschaft abkühlen. Er war ledig, sie war jetzt ledig, der Reiz des Geheimen und Verbotenen verblasste.
Und finanziell wurde ihm Käthe immer mehr zur Last. Sie sah es als selbstverständlich an, dass er wesentlich zu ihrem Lebensunterhalt beitrug.
In Richter festigte sich der Wunsch, Bonn zu verlassen, sich auf dem Lande eine Praxis einzurichten und sich allmählich von Käthe zu lösen. Allmählich - darauf kam es ihm vor allem an. Er fürchtete ihren Hass, wenn er sich plötzlich von ihr trennen würde.
Und darin hatte er sich auch nicht getäuscht. Als er zum ersten Mal beiläufig erwähnte, dass er sich eine Landpraxis einrichten und aus Bonn wegziehen wolle, geriet Käthe in rasenden Zorn. »Habe ich nicht«, schrie sie, »deinen Meineid vor Gericht mitgetragen, obwohl ich ihn nicht wünschte? Habe ich deine Verbrechen nicht immer gedeckt, weil ich dich liebe? Und du willst mich nun verlassen?«
»Welche Verbrechen denn?« fragte Richter betroffen.
»Zwei. Und die zwei, wenn ich sie enthülle, ruinieren dich lebenslang als Arzt. Ich meine die Abtreibung und den Meineid!«
»Die Abtreibung ist längst verjährt, meine Liebe. Und außerdem hast du selbst an diesem >Verbrechen< teilgenommen.«
»Der Meineid ist nicht verjährt! Und darauf steht
Zuchthaus!«
Richter schwieg. Sie hatte ihn in der Hand. Und Käthe kostete diese Macht aus. »Du hast mich damals kaputt gemacht mit deinem stümperhaften Eingriff, chronisch krank. Wenn du mich nicht heiratest, mache ich nun dich kaputt.«
»Und du dich mit!« entfuhr es ihm.
»Na, wenn schon, ich habe nichts zu verlieren. Erst ruiniere ich dich, dann bringe ich mich um. So einfach ist das!«
Richter schauerte es. Er kannte Käthes hysterische Ausbrüche.
Aber diese eiskalte Drohung kam nicht aus dem Bauch. Sie war wohlüberlegt.
»Sei doch vernünftig«, sagte er und zwang sich, ganz ruhig zu bleiben. »Hier an der Uni habe ich keine Zukunft. Der Weg nach oben ist lang und mühselig. Ich will mir eine Privatpraxis auf dein Lande einrichten, und du weißt, wie borniert die Dorfleute sind. Ein Arzt, der eine geschiedene Frau heiratet, der hat doch sofort alle Achtung verspielt.«
»Das ist eine Gemeinheit, was du da sagst. Wem verdanke ich denn, dass ich geschieden bin! Du hast mich verführt! Und ich verlange, dass du daraus die Konsequenzen ziehst!«
»Und dein Staatsanwaltsrat? Warum magst du den nicht? Der will dich doch sofort heiraten!«
»Dich liebe ich, verstehst du das, dich!«
Richter wusste, diese Behauptung war Lüge und zugleich wahr. Lüge, weil sie noch mit andern Männern schlief. Und wahr, weil er für sie der beste war, sexuell und materiell. Ich kann ihr nicht entrinnen, dachte er verzweifelt, nie, wo ich auch bin.
Er wusste keinen Ausweg. Ich muss sie zuerst beruhigen, sagte er sich, sie hinhalten, alles in der Schwebe lassen. Und in diesem Augenblick kam ihm ein Einfall. »Ich will dich doch auch gar nicht verlassen, Käthe. Es bleibt alles beim alten, auch wenn ich nicht mehr in Bonn bin. Du lässt dich als Krankenschwester ausbilden und kannst dann in meiner Praxis arbeiten.«
Käthe überlegte. Der Vorschlag gefiel ihr. Richters Widerstand hatte sie ernüchtert. Auch sie war zur Einsicht gelangt, es sei besser,
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