Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
Lieselotte, feierte dann in bester Laune Abschied mit einem Studenten, der in den nächsten Tagen ausziehen wollte, aß mit ihrer Schwester zu Abend und vertraute ihr dabei an, Richter werde gleich da sein, alles komme doch noch ins rechte Lot.
Kurz nach 21 Uhr traf Richter ein. Die Studenten waren außer Haus. Doch zu seinem Verdruss war Lieselotte noch nicht im Bett. Richter hätte die Sache gern so rasch wie möglich hinter sich gebracht, aber er wollte auch nicht drängen, Lieselotte schlafen zu schicken. Er nahm eine Schachtel Pralinen aus der Aktentasche, man aß sie zu dritt und erging sich in belanglosen Gesprächen und Scherzen.
Dann, gegen halb elf, ein weiteres Hindernis. Die beiden Studenten kehrten aus dem Theater zurück. Käthe ging in die Küche, um ihnen das Abendessen zu bereiten. Richter wurde immer unruhiger, er fürchtete, seinen Plan heute nicht mehr ausführen zu können.
Gegen halb zwölf stellte er erleichtert fest, dass die Studenten die Wohnung wieder verließen. Käthe brachte Lieselotte ins Bett.
Kurz vor Mitternacht war Richter endlich mit Käthe allein.
»Wie fühlst du dich, Schatz?« fragte er fürsorglich.
»Sehr gut, mein Herzallerliebster.«
Richter hörte dieses Wort gern. Käthe gebrauchte es, wenn sie in glücklicher Stimmung war. Sie ist völlig arglos, dachte er, das erleichtert die Sache.
»Das ist schön. Aber das täuscht manchmal, gerade nach einer Operation. Ich sollte dich doch noch einmal untersuchen.«
»Aber doch nicht heute, Peter. Wir wollen doch über unsere Heirat sprechen.«
»Gewiss doch. Aber in Ruhe, danach. Es ist doch auch in deinem Interesse, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst.«
Käthe gab nach. »Wenn du meinst.«
Sie stand auf und ging in die Küche. Richter nahm seine Aktentasche und folgte ihr. Die Untersuchungen fanden stets in der Küche statt.
Käthe entnahm dem Küchenschrank die erforderlichen Instrumente, die seit Beginn der Behandlung hier immer deponiert waren, und desinfizierte sie mit kochendem Wasser. Richter holte aus der Aktentasche Gummihandschuhe, eine Dose Vaseline und ein Glasröhrchen in der Länge einer halben Zigarette.
Dann breitete Käthe eine Decke über den Küchentisch, machte ihren Unterleib frei und legte sich in der für die Untersuchung erforderlichen Stellung auf den Tisch.
Dr. Richter zog sich die Gummihandschuhe über. Die instrumentelle und manuelle Untersuchung, so schien es Käthe, war flüchtiger als sonst. Peter schien zufrieden, es sei alles in Ordnung.
Käthe wollte sich erheben. Richter bat sie, noch liegen zu bleiben, sich auf die Seite zu drehen und die Beine angewinkelt an den Körper zu pressen. Er müsse noch den Dickdarm abtasten.
Käthe tat, wie ihr geheißen. Sie sah, wie Richter das Glasröhrchen entstöpselte, den noch behandschuhten Mittelfinger mit Vaseline bestrich und aus dem Glasröhrchen ein weißes Pulver auf die Fingerspitze schüttete. Es blieb an der Vaseline haften.
»Was machst du da«, fragte sie, »was ist das?«
Er murmelte etwas von einem vorbeugenden Präparat gegen Entzündung, das wolle er ausprobieren. Wozu, fragte Käthe, wenn alles in Ordnung sei?
Richter beharrte darauf. Es sei nun einmal notwendig, und schob ihr den Finger in den After. Sie ließ es geschehen. Als er die Manipulation wiederholte, empfand sie Schmerz. Sie wehrte sich und stieß ihn zurück. Er umklammerte ihren Hals und drückte sie auf den Tisch nieder: »Ruhig, ganz ruhig. Es
muss sein!«
Noch während sein Finger in ihrem Leib wühlte, verspürte sie ein heftiges Brennen.
Und im selben Augenblick kam die Erkenntnis.
»Du hast mich vergiftet!« schrie sie, »vergiftet!«
Die Todesangst gab ihr Kraft, Richter zurückzustoßen und vom Tisch zu springen. Der Tisch stürzte um.
Richter streifte die Gummihandschuhe ab und steckte das Glasröhrchen in die Westentasche. »Was redest du da«, sagte er ruhig. »Ich soll dich vergiftet haben? Warum denn? Womit?«
»Mit dem weißen Pulver! Es ist Gift!«
Sie taumelte aus der Küche ins Wohnzimmer. »Lieselotte«, rief sie schluchzend, »komm zu deiner Mutter. Ich muss sterben.«
Der Schmerz verstärkte sich. Sie hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen. Ihr wurde so übel, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Sie ließ sich auf die Knie nieder, kroch in den Korridor hinaus und rief erneut nach ihrem Kind. Richter folgte ihr. Durch die Milchglasscheibe der Wohnungstür sah er, dass das Hauslicht anging. Er hörte
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