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Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Titel: Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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um ein Herzgift handeln musste.
    Nun war als nächstes zu erforschen, welches Herzgift solche Wirkungen zeigte.
    Polizeichef Claude hatte Tardieu nicht nur die Medikamenten-Sammlung von Pommerais übergeben, sondern auch einen Stapel Briefe, die ihm Mme. de Pauw geschrieben hatte. In einem dieser Briefe entdeckte Tardieu einen interessanten Satz. Mme. de Pauw berichtete ihrem Geliebten, sie nehme jetzt also, wie von ihm empfohlen, Digitalis, um sich anzuregen.
    Auch in der Hausapotheke von Pommerais war Digitalis gefunden worden! Digitalis war zur Zeit des Falles Pommerais bereits ein weit verbreitetes Herzmedikament geworden. Entdeckt worden war das Digitalis, ein Alkaloid des roten Fingerhuts, schon ein Jahrhundert früher. Alkaloide sind stickstoffhaltige Substanzen, die sich meist in tropischen oder subtropischen Pflanzen finden. Sie sind basischer Natur, häufig kristallin und in Wasser schwer oder gar nicht löslich.
    Etwa seit 1820, als man Pflanzenalkaloide zu erforschen begann, wurde auch das Digitalis in entsprechender Verdünnung als Herzmedikament verwendet. Es beeinflusst den Blutkreislauf durch direkte und reflektorische Wirkung aufs Herz und die Gefäße. Die therapeutische Anwendung von Digitalis fördert und steigert die Herztätigkeit. Es wird also dort angewendet, wo mangelhafte Herzfunktion zu Kreislaufstörungen führt. Digitalis hat eine kumulative Wirkung, denn sein giftiger Bestandteil, das Digitoxin, bindet sich sehr fest an die giftempfänglichen Elemente des Herzens und wird sehr langsam ausgeschieden. Deshalb kann nach längerem Gebrauch therapeutischer Dosen die heilsame Wirkung in toxische umschlagen. Der Körper hat zuviel Gift
    gespeichert.
    Tardieu musste sich fragen, ob Pommerais diese kumulative Wirkung des Digitoxins benutzt hatte, indem er sein Opfer über längere Zeit kleine Mengen Digitalis einnehmen ließ, bis die therapeutische Wirkung in toxische, in tödliche umschlug?
    So und nicht anders musste der Mörder zu Werke gegangen sein. Und hatte in seinen Plan eine weitere Sicherung eingebaut: Sollte er jemals verdächtigt werden, konnte er mit Mme. de Pauws Brief nachweisen, dass sie das Digitalis freiwillig eingenommen hatte.
    Inzwischen hatte die Polizei festgestellt, dass sich Pommerais schon Monate vor Mme. de Pauws Tod Digitalis verschafft und dieses fast vollständig verbraucht hatte. Das konnte die Vermutung einer kumulativen Vergiftung noch untermauern.
    Überzeugt, Digitalis als Mordgift erkannt zu haben, wiederholte Tardieu mit dem Rest Digitalis aus der Hausapotheke den Tierversuch. Der Hund starb. Der Herzlähmung gingen die gleichen Symptome voraus wie beim ersten Tierversuch und bei Mme. de Pauw. Tardieu war sich nun Gewiss, Pommerais hatte seine Geliebte mit Digitalis in der Gewissheit vergiftet, dass sich diese Vergiftung nicht nachweisen ließ.
    Aber leider, darüber war sich Tardieu klar, würde er mit seinem Beweis vor Gericht kaum bestehen können. Zwar war der Hund im Experiment Nr. 2 verstorben. Aber ihm war ja originales Digitalis injiziert worden. Das Digitalis im Organextrakt der Toten jedoch hatte der Hund überlebt. Und wenn ein Hund überlebte, wie hätte es dann einen Menschen töten können? So würde die Verteidigung fragen. Aber die Giftmenge im Organextrakt war doch unendlich schwach! würde er antworten. Doch würde das Gericht diese Erklärung akzeptieren?
    Tardieu teilte diese Sorge dem Polizeichef mit. Er sei bei
    seinen Tests eben nur auf den Organextrakt angewiesen. Hätte die Polizei bei der Untersuchung des Sterbezimmers noch auf andere mögliche Spuren geachtet, hätte sein Nachweis auf sichereren Füßen gestanden.
    Welche andern Spuren er meine, fragte Claude.
    Beispielsweise Erbrochenes, sagte Tardieu. Erbrochenes enthalte Giftreste in viel höherer Konzentration, weil sich Pflanzengifte im Magen rasch zersetzen.
    Und der Polizeichef, von Tardieus Besessenheit angetrieben, schickte Leute in Mme. de Pauws Sterbezimmer, und sie wurden fündig. Sie kratzten von den Dielenbrettern und aus den Ritzen der Bretter eingetrocknete Reste von Erbrochenem. Daraus stellte Tardieu durch Zusatz von Alkohol, durch Destillieren und Filtern einen flüssigen Extrakt her.
    Dann bereitete er sein drittes physiologisches Experiment vor, diesmal an Fröschen. Das Froschherz eigne sich dafür besonders gut, schrieb der Pharmakologe Poulsson, weil es der direkten Beobachtung leicht zugänglich sei und im isolierten Zustand bequemer als das Herz der

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