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Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Titel: Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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Gesicht, der ganze Körper wie vertrocknet. Die Unfähigkeit, sich von der Sucht zu befreien, schwächte auch seine Widerstandskraft und seine gesamte Lebensenergie. So blieb er in einem Teufelskreis gefangen: Das Morphium sollte ihn vom Katzenjammer der Selbstvorwürfe befreien und stieß ihn doch immer tiefer hinein.
    Auch die Heirat mit einer nichtsahnenden jungen Frau, die ein bescheidenes Vermögen besaß, konnte sein Leben nicht verändern. Zwar versuchte er nach der Eheschließung, sich noch einmal aufzuraffen und mit dem Geld seiner Frau eine eigene Praxis einzurichten. Aber da war er schon unfähig zu geregelter und verantwortungsvoller ärztlicher Arbeit. Er pfuschte, die Patienten blieben weg, die Praxis brach zusammen. Das investierte Geld seiner Frau war verloren, er hatte keinerlei Einkünfte mehr.
    Um nicht endgültig in die Elendsexistenz der Arbeiter und Obdachlosen hinabzusinken, suchte er den scheinbar einzigen Ausweg: Er borgte sich Geld. Seine Schulden wuchsen. Um sie abzutragen, machte er neue Schulden, bis ihn die Drohung von Zwangsmaßnahmen zum letzten Verzweiflungsschritt trieb. Er beschloss unterzutauchen. Aber auch das Wunderland Amerika konnte den Süchtigen nicht von seinem Gift befreien und dem Gescheiterten keine gesicherte Zukunft bieten. Völlig am Ende, kehrte er nach London zurück und bat Verwandte seiner Frau, ihm erneut Geld zu leihen. Mit diesem Geld versuchte er, zusammen mit seiner Frau, nochmals in Amerika Fuß zu fassen. Er konnte keines seiner illusorischen Projekte verwirklichen. Beide verließen schließlich Amerika. Da sie in London keine Wohnung mehr hatten, mieteten sie sich mit dem letzten Geld in einem Hotel ein. Mit ungedeckten Schecks suchte Lamson an Geld zu kommen. Und wusste natürlich, dass er nur auf Zeit spielte und die endgültige Katastrophe nahe war.
    In diesen Tagen fand er den Ausweg aus der tödlichen Falle, in der er sich mit seiner Frau befand. Und ahnte nicht, dass auch der Ausweg im Tod enden würde. Denn diese Konsequenz verbarg ihm das Morphium, das ihm Befreiung vorgaukelte.
    Lamsons Frau hatte einen Bruder. Percy John war achtzehn Jahre alt und an beiden Beinen gelähmt. Er lebte und lernte in einer Internatsschule in Wimbledon. Lamson hatte sich ausgerechnet, dass seine Frau beim Tode ihres Bruders zur Hälfte dessen Vermögen, das allerdings nicht beträchtlich war, erben würde. Aber in seiner Verzweiflung nahm Lamson auch mit einer bescheidenen Erbschaft vorlieb.
    Anfang Dezember 1881 schrieb Lamson seinem Schwager, er wolle mit seiner Frau eine längere Reise machen und sich zuvor von ihm verabschieden. Bereits am 3. Dezember traf Lamson früh um halb acht in Wimbledon ein. Er meldete sich bei Mr. Bedbrook, dem Direktor der Schule. Bedbrook begrüßte es, dass Lamson seinen an den Rollstuhl gefesselten Schwager besuchte. Er holte eine Flasche Sherry aus dem Schrank und erbot sich, Lamson zum Zimmer seines Schwagers zu begleiten.
    Auch Percy freute sich über Lamsons Besuch. Der Direktor schenkte Lamson und sich ein Glas Sherry ein, während Lamson einen bereits in mehrere Stücke geschnittenen Kuchen auf den Tisch legte. Bedbrook, Lamson und Percy aßen jeder ein Stück Kuchen, Bedbrook und Lamson tranken Sherry dazu.
    Nachdem sich Percy nach dem Befinden seiner Schwester erkundigt hatte, lenkte Dr. Lamson das Gespräch auf seinen jüngsten Aufenthalt in den USA. Er habe dort große Fortschritte auf medizinischem Gebiet kennengelernt, erzählte er. Beispielsweise habe ihn eine neue Erfindung sehr beeindruckt, die die Einnahme bitterer Medizin erleichtere. Er habe eine Probe mitgebracht: kleine Gelatinekapseln. Sie bestanden aus zwei Hälften, die man auseinanderziehen und wieder zusammenschieben konnte. Man füllt die Kapsel, so erklärte der Doktor, einfach mit dem Medikament und verschluckt es. Und spüre gar nichts von der bitteren Medizin. Er überreichte dem Direktor einige Kapseln als Geschenk. Vielleicht brauche er sie, wenn vielleicht ein Schüler eine schlecht schmeckende Medizin nicht einnehmen wolle. Die Einnahme der Kapsel sei völlig unproblematisch, fügte er hinzu. Ob Percy es denn nicht einmal demonstrieren wolle?
    Percy wollte das gern tun.
    Lamson zog wiederum eine Kapsel aus der Tasche und öffnete sie. Da wir keine bittere Medizin zur Verfügung haben, sagte er lächelnd, müssten wir uns mit Zucker begnügen. Mit einem Teelöffel entnahm er der Zuckerdose einige Körnchen, verbrachte sie in die eine Hälfte der Kapsel

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