Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
laut um Hilfe rufen. Da erschien auch schon eine Gestalt in der Straßenbiegung, eilte auf ihn zu und schrie: »Hilfe! Helfen Sie mir! Meine Frau verbrennt!«
Martin hielt an und sprang vom Fahrrad. Der Mann, dessen Gesicht und Hände rußgeschwärzt waren, packte ihn am Arm und zog ihn mit sich fort. Hinter der Straßenkrümmung sah Martin ein Auto. Es stand in hellen Flammen.
Martin lief nahe zum Wagen und erkannte, dass er nicht mehr helfen konnte. Sein Begleiter rannte wie ein Wahnsinniger hin und her, rief, man solle ihm ein Messer geben, damit er sich erstechen könne, jammerte dazwischen: »Meine arme Frau! Warum musste sie auch Streichhölzer anzünden!« Dann wieder bückte er sich, blickte auf die brennenden Reifen und klagte, nun würden sie auch noch verbrennen. Angesichts der inmitten der Flammen sitzenden Toten im Wagen kam Martin diese Bemerkung makaber vor.
Martin erbot sich, im Birotshof Hilfe zu holen. Der Mann nannte ihm mehrere Telefonnummern, die sich Martin jedoch nicht merken konnte. Martin teilte dem Wirt vom Birotshof das Unglück mit, damit dieser Polizei und Feuerwehr rufen konnte.
Martin kehrte zum Unglücksort zurück. Der Mann schlug mit Zweigen ins Feuer und forderte Martin auf, ein Gleiches zu tun. Nur um den Mann zu beruhigen, brach auch Martin Reisig und beteiligte sich an dem sinnlosen Unternehmen.
Schließlich gab der Mann auf und bat Martin, den Wagen etwas nach vorn zu schieben. Das erschien Martin nicht nur gefährlich, sondern auch zwecklos. Trotzdem half er dem Mann dabei. Der Wagen kam nicht weit, nach einem halben Meter platzten die Vorderreifen. Daraufhin setzte sich der Mann auf die Böschung. Er nannte seinen Namen. Nun erkannte ihn der Musiklehrer. Es war Zahnarzt Dr. Müller. Müller hatte sich jetzt etwas beruhigt und erzählte Martin, wie sich das Unglück ereignet hatte.
Müller berichtete, er wäre mit dem Wagen kurz hinter dem Birotshof gewesen, als er hörte, dass eine Radkappe abfiel. Er hielt an, um zurückzugehen und die Radkappe zu suchen. Er fand sie, ging noch austreten und wollte zum Wagen zurückkehren. In diesem Augenblick hörte er eine Explosion und einen Aufschrei seiner Frau. Er lief um die Biegung und sah eine helle Stichflamme aus dem Wagen steigen.
Als er den Wagen erreichte, stand seine Frau schon in Flammen. Er öffnete die Fahrertür, um sie herauszuziehen. Aber wegen der Flammenglut gelang es ihm nur, sie bis auf den Fahrersitz zu zerren. Er nahm die unter dem Fahrersitz liegende Apothekerflasche, die mit Katalyt gefüllt war, und warf sie weit in die Büsche. Müller glaubte auch zu wissen, wie das Feuer ausgebrochen war. Bereits unterwegs hätte seine Frau ihren Schmuckring vermisst. Wahrscheinlich hatte sie ihn, während Müller nach der Radkappe Ausschau hielt, im Wagenfond suchen wollen und dabei ein Streichholz entzündet. Dabei müsse der Heizofen explodiert oder ausgelaufenes Katalyt entflammt worden sein.
Nun erschien der Wirt vom Birotshof. Er hatte Polizei und Feuerwehr alarmiert. Er trat zum Auto, das noch immer lichterloh brannte. Durch die geplatzte linke Vorderscheibe erblickte er die Leiche von Frau Müller. Sie war bereits verkohlt, aber es züngelten weiterhin Flammen aus ihrem Körper. Dr. Müller klagte über die schmerzenden Brandwunden an seinen Händen, die er sich bei seinem Rettungsversuch zugezogen hatte. Er weinte: »Gestern hat mir Gott meine liebe Mutter genommen, heute meine liebe Frau.«
Als nächstes trafen zwei Polizisten ein. Sie nahmen an, es sei ein Unfall passiert. Als sie in den Wagen hineinschauten, traten die Flammen direkt aus den Hüften der Toten. Die linke
Wagentür stand einen Spaltbreit offen.
Dann endlich traf die Feuerwehr ein. Der Kommandant entschloss sich, das Feuer nicht zu löschen, um keine Spuren zu vernichten. Später ließ er vorsorglich die noch immer schwelende Leiche mit Wasser begießen, damit sie nicht völlig verkohlte.
Ein Rettungswagen brachte Müller ins Krankenhaus, wo seine Brandwunden behandelt werden sollten.
Gegen Morgen nahm die Kriminalpolizei zusammen mit dem Gerichtsarzt Dr. Petersohn aus Kaiserslautern eine Besichtigung des Ereignisortes vor. Petersohn blickte zuerst in den geöffneten Wagen. Der Boden und die Reste der verbrannten Sitze waren mit einer gleichmäßigen feinen Staubschicht bedeckt, wie mit Schnee.
Die Schicht war unberührt. Es hatte also niemand etwas im Wageninnern oder an der Leiche verändert. Die Leiche war weitgehend zerfallen. Sogar
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