Mörderische Aussichten
drei Uhr nachmittags, und meine morgendlichen
Kopfschmerzen waren mit voller Wucht wiedergekehrt. Ich ging seufzend in die Küche, um ein Aspirin zu nehmen. Der Fernsehapparat
im Wohnzimmer lief noch immer, und in der Ecke des Bildschirms war die Temperatur eingeblendet: neununddreißig Grad.
Ich hörte, wie eine Autotür zugeschlagen wurde, und im nächsten Moment kam Haley die Hintertreppe hochgelaufen. Ich machte
ihr die Tür auf und bat sie, Woofer hereinzuholen, da es draußen unerträglich sei für Mensch und Tier.
Eine Minute später war sie wieder da, einen sich sträubenden Woofer vor sich her schiebend. »Er war ganz hinten in seinem
Iglu und wollte nicht reinkommen.«
Ich stellte ihm eine Schüssel mit Wasser und Eiswürfeln hin. Woofer schlabberte ein wenig daran herum und legte sich dann
auf den Boden. »Ich fühle mich besser, wenn er hier drin ist.«
Haley blickte mich argwöhnisch an: »Hast du geweint?«
»Nein. Mein Mittagsschläfchen hat nur zu lange gedauert, und ich habe starke Kopfschmerzen. Möchtest du auch einen Tee?«
»Ich hol ihn. Warum setzt du dich nicht ins Wohnzimmer, Mama?«
Ich nahm mein Aspirin und folgte ihrer Aufforderung, da ich das Gefühl hatte, gleich wieder weinen zu müssen. Und das wäre
nicht gut gewesen. Ich musste mich für Haley freuen. Ich
freute
mich ja auch für Haley.
»Ich habe mit Debbie gesprochen«, rief sie aus der Küche, »von daher weiß ich, was heute Morgen passiert ist.« Sie kam ins
Wohnzimmer und reichte mir ein Glas Tee und eine Serviette. »Was steckt deiner Meinung nach dahinter?«
»Ich habe keine Ahnung. Das sind eigenartige Leute, weißt du. Sie haben sogar Sheriff Reuse zum Schwitzen gebracht.«
»Mein Gott, das kann ich nicht glauben.«
»So war es aber. Kerrigan Dabbs sagt, der Sheriff glaubt, er sei Sunshines Vater.«
»Wirklich?« Haley dachte einen Augenblick nach. »Hat sie gesagt, ob er es ist oder nicht?«
»Sie sagte, dass sie es nicht wisse.«
Haley war ernsthaft schockiert. »Hat sie das ernst gemeint?«
»Es kam mir so vor.«
»Barmherziger Himmel.«
Ich lachte über den Ausdruck auf Haleys Gesicht. »Sie ist eine umwerfende Frau, Haley. Mit Elizabeth-Taylor-Augen. Und nur
ganz wenig geschminkt.«
»Und spielt in Pornofilmen.«
Ich nickte.
Haley stellte ihren Tee ab und sank zurück auf das Sofa. »Ich will gleich noch mehr darüber wissen, aber erst muss ich dich
auf den neuesten Stand der Hochzeitsvorbereitungen bringen. Erstens wird sie nicht im Amtszimmer des Richters stattfinden,
sondern in der kleinen Kapelle der Methodistenkirche.«
»Oha.« Da war jemand, genauer gesagt Mary Alice Crane, mit mehr beschäftigt gewesen als damit, ihre verschollene Schwiegertochter
zu suchen. Warum nur überraschte mich das nicht?
»Und zweitens werde ich doch nicht mein Leinenkostüm tragen. Tante Schwesterherz hat die Einkaufsberaterin vom Parisian ein
paar Kleider für mich zum Anprobieren rüberbringen lassen. Da war eines dabei aus blassrosa Seide, in das ich mich schlichtweg
verliebt habe. Du wirst einfach begeistert sein, Mama.« Haley hielt einen Moment inne, um sich das Kleid vor Augen zu führen.
»Es ist ziemlich schlicht. Und recht kurz. Aber es hat eine ein Zentimeter breite Perlenstickerei rund um den Ausschnitt und
die Ärmelenden. Aber wirklich unglaublich ist« – sie hielt ihren Fuß hoch, der in schmutzigen weißen Segeltuchschuhen steckte –, »dass es dazu passende Schuhe gibt. Blassrosa mit Perlstickerei an Kappe und Absatz. Und dann gehen wir alle zum Mittagessen
ins Merritt House. Tante Schwesterherz sagte, sie habe eigentlich Henry bitten wollen, bei ihr zu Hause zu kochen, aber samstags
ist im Club am meisten los. Es wird Hähnchen Kiew geben.«
»Hähnchen Kiew«, wiederholte ich, während ich nach Atem rang. Hier saß meine intelligente Tochter und bekam offenkundig nicht
mit, dass ihr kompletter Hochzeitsplan von ihrer Tante völlig auf den Kopf gestellt worden war. Das war einfach unglaublich.
»Kleine neue Kartoffeln und diese grünen Bohnen, die sie da so gut machen«, leierte Haley weiter herunter, während ich darüber
nachdachte, wie die Welt wohl aussähe, wenn Schwesterherz als Mann geboren wäre. Das überstieg jedoch meine Vorstellungskraft.
»Wie findest du das, Mama?«
»Klingt großartig.« Das tat es wirklich. Und meine Tochter war glücklich. Ich war also an keiner Stelle in die Planung einbezogen
worden. Und wenn schon. Mir fiel
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