Moerderische Familienbande
elend“, japste er.
Ich zog ein Papiertaschentuch aus meiner Handtasche, tauchte es in den Brunnen und drückte es ihm auf die Stirn. „Halten Sie schön den Kopf nach unten.“
„Das Wasser ist doch völlig verdreckt“, sagte Schwesterherz. „Da pinkeln die Kinder rein.“ Ich blickte sie scharf an. ->Na ja, wenn sie drin rumwaten.“
Aber den Richter kümmerten die Bakterien nicht. Er nahm das nasse Papiertaschentuch und hielt es sich an die Augen. Ich suchte ein weiteres in meiner Tasche.
„Haben Sie einen Herzanfall oder so was in der Art?“, fragte ich und kniete mich neben ihn. „Die Sanitäter sind gleich da drüben.“
„Sie ist tot“, murmelte er.
„Was hat er gesagt?“, fragte Schwesterherz.
„Er hat gesagt, >sie ist tot<.“
„Es war eine Frau, die gesprungen ist?“
„O mein Gott.“ Der Richter begann laut und keuchend zu schluchzen. Er hielt den Kopf weiter gesenkt, und ich konnte seine rosa Kopfhaut durch das dünner werdende weiße Haar sehen.
Plötzlich wusste ich es. „Es war Meg“, sagte ich. „Meg ist tot, stimmt's?“
Mary Alice sank neben den Richter auf den Brunnenrand nieder. „Sei nicht albern. Das kann nicht Meg gewesen sein.“
Aber der Richter bestätigte mit einem Nicken, was ich gesagt hatte.
Mary Alice rüttelte ihn an der Schulter. „Wollen Sie uns damit sagen, dass Meg Bryan aus dem achten Stock des Gerichtsgebäudes gesprungen ist?“
Sein Kopf machte eine Nein-Bewegung.
Ich schloss erleichtert die Augen. Mary Alice stieß einen kurzen Pfiff aus: „Puuuh!“
„Aus dem neunten.“
Schwesterherz und ich starrten einander an. „Was?“, sagten wir wie aus einem Munde.
Er schluchzte erneut. „Sie ist tot.“
Mary Alice schöpfte mit der hohlen Hand Wasser aus dem glitzernden Brunnen und begoss damit Richter Haskins' gebeugten Nacken. „Setzen Sie sich auf und reden Sie wie jemand mit Verstand!“
Einen Moment lang war er ganz still, und ich dachte, sie hätte ihn umgebracht. Dann hob er jedoch mit einem langen Seufzer den Kopf. „Haben Sie noch ein Taschentuch?“
Ich reichte ihm ein weiteres, mit dem er sich sein Gesicht abwischte. „Danke.“
„Nun?“, sagte Mary Alice. Hinter uns fuhr das Feuerwehrauto davon.
„Meg ist aus dem neunten Stock gesprungen. Oder dem zehnten. Egal. Ich saß jedenfalls an meinem Schreibtisch im achten, und sie segelte vorbei. Sah mir direkt ins Gesicht. Ich glaube, sie sagte auf Wiedersehen. So ungefähr.“ Er ahmte ein übertriebenes „Wiiiiiiederseeeehen!“ nach und hickste. Tränen begannen ihm über das Gesicht zu laufen. „Es war schrecklich.“ Die Hände auf seinen Hosenbeinen zitterten. Alte Hände. Mit Leberflecken.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte ich.
„Ich weiß nicht“, antwortete er wahrheitsgemäß.
„Meg ist tot?“, fragte Mary Alice.
„Das hat er jedenfalls gesagt, Schwesterherz.“ Ich tätschelte die Hand des Richters.
„Du lieber Gott. Warum hat sie das denn getan?“
Der Richter sagte, er habe keine Ahnung. Sie hätten ihre genealogischen Funde verglichen, und dann sei Meg gegangen. Das Nächste, was er mitbekommen habe, sei, dass sie an seinem Fenster vorbeigesegelt sei und hereingestarrt habe. > Wiiiiiederseeeeehen“, ahmte er erneut nach.
„Sie wirkte absolut nicht selbstmordgefährdet auf mich“, meinte Mary Alice. „Sie hat doch noch schön zu Mittag gegessen, nicht wahr, Maus? Drei von diesen Kalbsmedaillons mit Orangensauce. Und grüne Bohnen mit Mandeln.“
„Wir haben ihren Käsekuchen aufgegessen“, sagte ich.
Wir schwiegen alle drei einen Augenblick lang und beobachteten, wie sich die Menge teilte, um die Rettungssanitäter durchzulassen. Es gab nichts mehr, was sie hätten tun können.
„Patricia Anne“, sagte Schwesterherz, „du solltest ihnen sagen, wer die Leiche ist.“
„Sie war doch
dein
Cast — die Cousine deines Schwiegersohnes.“
Der Richter stand auf. Seine Beine waren wackelig, aber seine Stimme war fest. „Ich werde es ihnen mitteilen“, sagte er.
„Wohin werden sie sie wohl bringen?“, fragte Mary Alice. „In ein Beerdigungsinstitut?“
„Ich nehme an, ins Leichenschauhaus.“ Der Richter machte sich auf den Weg, um sich dann doch noch einmal umzudrehen. „Werden Sie ihre Familie benachrichtigen?“
„Ich weiß nicht, wie ich die erreiche“, sagte Schwesterherz
„Ihre Schwester, Trinity Buckalew, lebt in Fairhope. Sie wird es allen sagen. Glauben Sie mir.“
„Eine von uns ruft sie an“,
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