Moerderische Familienbande
uns darüber. Es war ein schlecht kopiertes offizielles Dokument.
„Sehen Sie?“, wiederholte sie. Sie deutete oben auf die Seite. „Schauen Sie hierhin.“
Ich schob meine Bifokalbrille nach oben, aber sie war mir keine große Hilfe. „Steht da >im Staate Georgia'?“, fragte ich.
„Da steht mehr als das. Da steht: >Unehelich im Staate Georgia geboren-. Und wissen Sie, um wen es da geht, Mädels?“
Wir schüttelten beide den Kopf. Ich zeigte auf das Dokument. „Heißt das hier Catherine?“
„Das steht fest. Catherine Anne Taylor, Mutter des unehelich geborenen Clifford Adams Taylor, der zufällig der Ururgroßvater eines gewissen Richters Robert Haskins ist. Das ist eine Unehelichkeitserklärung, meine Damen“, verkündete Trinity stolz.
Schwesterherz und ich sahen einander verdutzt an.
„Ich verstehe das nicht“, sagte ich.
„Eine Unehelichkeitserklärung?“, fragte Schwesterherz. „Sie glauben, Richter Haskins würde jemanden umbringen, nur weil diese Person herausgefunden hat, dass sein Ururgroßvater außerehelich geboren wurde?“
„Natürlich. Eine der Gefahren, die man mit Ahnenfor-
schung eingeht.“ Trinity Buckalew tippte mit dem Zeigefinger auf das Dokument.
Ausnahmsweise einmal fiel Schwesterherz und mir nichts mehr dazu ein.
5
„Tickt diese Frau noch ganz richtig?“, flüsterte ich Mary Alice zu. Trinity Buckalew hatte sich den Weg für „kleine Mädchen“ zeigen lassen und war im Flur verschwunden. Das Dokument, das Clifford Adams Taylor als uneheliches Kind auswies, lag nach wie vor auf dem Couchtisch. Ich nahm es in die Hand. „Sollte wirklich jemand wegen so etwas einen Mord begehen?“
Schwesterherz zuckte mit den Schultern. „Sie wirkt vernünftig auf mich. Ich vermute also, dass da was dran ist.“
„Aber warum?“
„Mein Gott, Patricia Anne, ich weiß es nicht. Manche Menschen legen, glaube ich, großen Wert darauf, eine ordentliche Familie zu haben.“
„Du meinst, eine rechtmäßige.“
„Wie auch immer.“ Schwesterherz stand auf, streckte ihren Rücken, machte ein paar Lockerungsübungen und sagte, sie werde das Leichenschauhaus im Branchentelefonbuch nachschlagen und überlege, unter welcher Rubrik es aufgeführt sei.
„>Tote Seiten< vielleicht?“
„Das ist kein bisschen witzig!“
Das fand ich eigentlich auch. Es war aber so, dass Megs Tod mich erschüttert hatte, und wenn mich etwas aufwühlt, dann reagiere ich unwillkürlich mit Spaßen über das, was mich so bestürzt macht. Ich denke, diese Bewältigungsstrategie ist so gut wie jede andere, im Vergleich zu
manchen sogar besser. Aber sie macht Schwesterherz wahnsinnig.
„Benimm dich, als hättest du deine sieben Sinne beieinander!“, zischte sie, während sie auf dem Absatz kehrtmachte und in Richtung Küche lief.
Derart gescholten, saß ich da, blickte über das Tal und trank meine Cola. Ich hörte die Toilettenspülung, Schritte im Gang und die Stimme von Mary Alice, die entweder mit Kater ßubba oder mit dem Leichenschauhaus sprach.
„Schwer zu glauben, nicht wahr?“ Trinity stand neben mir und deutete auf die Abstammungspapiere. „Aber es wurde schon aus geringerem Anlass gemordet.“
Es war in der Tat schwer zu glauben. ->Es kommt einem so unwichtig vor.“
„Das sieht jemand, der versucht, seine Abstimmung herauszufinden, anders.“
„Vermutlich.-
Trinity setzte sich in den Sessel mit dem Mohnblumenmuster. Ich stellte fest, dass sie sich bei ihrem Besuch im Badezimmer die Haare gekämmt und ein wenig Lippenstift aufgelegt hatte. Sie blickte seufzend über das Tal. „Da draußen liegt eine ganze Welt“, sagte sie.
Ich nickte.
„Meg will verbrannt werden. Sie möchte, dass ihre Asche über die Mobile Bay verstreut wird.“
Ich nickte erneut. Mir war jetzt gar nicht nach Spaßen zumute. Meg Bryan würde zu keinen weiteren Hochzeiten mehr gehen, keine leckeren Mittagessen mehr genießen können. Ich fühlte Tränen in meinen Augen aufsteigen.
„Hier, bitte.“ Trinity reichte mir ein Papiertaschentuch.
„Was ist los?“, fragte Alice, die in der Tür stand.
„Ihre Schwester ist ein bemerkenswert mitfühlender Mensch“, sagte Trinity.
Mary Alice sah mich argwöhnisch an. Ich wischte mir die Augen.
„Ich habe mit dem Leichenschauhaus gesprochen“, sagte Schwesterherz.
„Gut, wir sollten es dann besser hinter uns bringen.“ Tri-nity machte Anstalten, sich zu erheben, und der Korbsessel quietschte.
„Nein.“ Schwesterherz setzte
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