Moerderische Familienbande
>Love Story< schmökerten, las sie C. C. Jungs >Der Mensch und seine Symbolen Lehrer haben jedes Jahr Schüler von der Art, die sich trotzig von den anderen abheben und das demonstrativ nach außen bekunden. Aber Castine zählte nicht zu der Sorte. Sie war einfach sie selbst, und ich hatte das zu schätzen gewusst.
„Aus was für einem Elternhaus kommt sie?“, hatte ich Frances Zata, die Beratungslehrerin an unserer Schule, gefragt, als Castine frisch zu mir in die Klasse gekommen war.
„Beide Eltern sind promoviert“, sagte mir Frances. Castine war ihr einziges Kind, das sie spät bekommen hatten, und sie hoben sie in den Himmel.
Als sie vom Direktor der Schule das Abschlusszeugnis überreicht bekam und es mit einem einfachen „Danke“ entgegennahm, hatte ich mir gewünscht, daran erinnere ich mich noch, sie besser kennen gelernt zu haben.
Und nun stand die auf erfreuliche Weise zu Cassie mutierte Castine hübsch gekleidet, freundlich und offensichtlich erfolgreich vor mir.
„Ich bin erwachsen geworden“, sagte sie.
Ich lächelte glücklich. „Ja, das sind Sie.“
„Und Sie haben sich kein bisschen verändert, Mrs. Hol-lowell. Bei welcher Recherche kann ich Ihnen helfen?“
Ich erklärte ihr, dass ich damit anfangen wollte, mich ein wenig in Freds Familiengeschichte einzuarbeiten - als Geburtstagsüberraschung. Ich erzählte ihr von den Namen, an die er sich erinnerte, und dass die Familie aus Montgomery stammte.
„Wunderbar“, sagte sie. „Die Unterlagen zu Montgomery sind beachtlich vollständig. Viele Justiz- und Verwaltungsgebäude sind ein Opfer der Flammen geworden, und die alten Archivbestände sind dadurch verloren gegangen. Aber bei der Stadt Montgomery reichen die Akten bis zurück in die Zeit, als Alabama noch zum Territorium von Mississippi gehörte. Wir können Landzuweisungen verfolgen und haben auch noch gesiegelte Urkunden. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.“
Emily kehrte zu ihrem Brautmagazin zurück, und ich folgte Cassie quer durch den Raum hindurch.
„Sind die Akten alle über Computer zugänglich?“, fragte ich ängstlich.
„Ein paar davon. Aber wir haben auch Kopien der Originale. Sie müssen nicht wissen, wie man mit einem Computer umgeht. Es hilft allerdings.“ Sie nickte einer Frau zu, die einen Bildschirm studierte. „Fast alle, die sich professionell mit Ahnenforschung befassen, benutzen sie jetzt. Es sind ein paar exzellente Softwareprogramme erhältlich.“
Das ließ mich an Meg denken. „Haben Sie Meg Bryan gekannt?“, fragte ich.
„Natürlich. Ich kannte Meg sehr gut. Sie war eine hervorragende Genealogin. Waren Sie mit ihr befreundet?“
„Sie war anlässlich der Hochzeit meiner Nichte hier, als sie starb.“
„Das war wirklich ein Schock, nicht wahr? Ich hätte Meg nie für selbstmordgefährdet gehalten.“ Cassie Murphy drehte sich nach links und zeigte auf ein paar Regale. „Hier sind die Bevölkerungsregister von Montgomery, Geburtsund Sterbelisten und Urkunden über Landverkäufe. Sie sind jeweils chronologisch geordnet. Ich würde Ihnen empfehlen, mit den Bevölkerungsregistern zu beginnen. Sie sind leicht verständlich und geben Ihnen exakte Auskunft da-
ruber, wann die Familienmitglieder hier auftauchten. Sie können die Geburts- und Sterbelisten genauso daraufhin durchgehen. Hollowell ist kein verbreiteter Name, weshalb Sie keine allzu großen Probleme haben sollten. Wie hieß denn die Mutter Ihres Mannes mit Mädchennamen?“
„Haley. Meine Tochter ist nach ihr benannt.“
„Das sollte auch ziemlich einfach sein.“ Cassie nahm einen Band des Bevölkerungsregisters aus dem Jahre 1900. „Lassen Sie uns mal sehen, was wir hier finden.“
Ich folgte ihr hinaus an einen Tisch, wo sie das Buch öffnete. „Wissen Sie“, sagte ich, „es ist einfach wundervoll, Sie als Bibliothekarin zu sehen. Sie haben Bücher immer geliebt.“
„Oh, ich arbeite gar nicht hier. Ich bin Genealogin. Ich mache hier ein paar Recherchen und sah Sie hereinkommen.“ Sie lächelte. „Ich habe erst im Informatikbereich gearbeitet und bin dann auf dem Nebengleis der Genealogie gelandet. Es ist ein ganz offenes und interessantes Feld.“
„Meg Bryan sagte, es sei ein mörderisches Geschäft, in dem jeder gegen jeden kämpft.“
„Das kann sein.“ Sie fuhr mit ihrem Finger den Index entlang. „Hier ist ein Noah Hollowell. Der Großvater Ihres Mannes?“
„Ja.“ Ich blickte auf die Stelle, die Cassie mir zeigte.
„Okay“, sagte sie.
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