Moerderische Familienbande
entdeckte ich in einem Buch über Montgomery County, hatte sich geweigert, im Bürgerkrieg zu dienen. Verfolgt von seinen eigenen Brüdern, die versucht hatten, ihn mit Gewalt zu einer Unterstützung der Konföderierten zu zwingen, war er von einem Felsvorsprung in den Alabama River gesprungen. Sein langes Haar hatte sich in den Asten eines Baums verfangen, und er hatte sich das Genick gebrochen. Die Biegung des Flusses, an der er starb, ist noch immer nach dem jungen Daniel benannt, dem sein kräftiges Haar zum Verhängnis wurde - „Daniel's Bend“.
Die Geschichte erinnerte mich an Absalom in der Bibel. Ich zog ein Papiertaschentuch hervor und schniefte ein wenig, während ich über die Mutter nachdachte, die sich das Vorgefallene von ihren anderen Söhnen hatte erzählen lassen müssen und die wahrscheinlich eine hübsch zurechtgelegte Story serviert bekommen hatte, in der die Brüder sich keinerlei Schuld zuschrieben. Emily tippte mir auf die Schulter.
„Mrs. Hollowell, Cassie Murphy möchte Sie am Telefon sprechen.“
„Danke.“ Ich stand auf, nach wie vor in Daniels Geschichte versunken. Hatte ihm nicht das Recht auf eine eigene politische Meinung zugestanden? Aber ich kannte die Antwort auf diese Frage. Er hatte Geschwister gehabt. Mary Alice hätte mich sofort zum Fluss gejagt. Baumel, Baby, baumel!
„Sie können es von der Seite nehmen.“ Emily reichte mir das Telefon über ihre nach wie vor geöffneten Bücher herüber. Ich meldete mich zögernd, in der Angst, Cassie würde mir erzählen, dass es mit Georgiana eine Wende zum Schlechteren genommen hatte.
„Sie ist in stabilem Zustand“, sagte Cassie, meine Gedanken erahnend, wie aus der Pistole geschossen. „Und sie fragt immerzu nach Ihnen.“
„Nach mir? Warum?“
„Keine Ahnung. Ich habe mich telefonisch nach ihrem Befinden erkundigt, und die Krankenschwester hat mir gesagt, sie frage ständig nach Patricia Anne. Ich wüsste nicht, dass sie außer Ihnen noch eine andere Patricia Anne kennt. Ich habe der Frau gesagt, dass ich Sie hinschicke.“
„Sie meinen, ich soll rüberkommen?“
„Wenn es möglich ist. Anscheinend ist Georgiana schrecklich aufgeregt, und man glaubt, es könnte hilfreich sein, wenn sie Sie sieht.“
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, was ich tun könnte, aber ich komme sie gern besuchen. Jede Stunde fünf Minuten, ist es nicht so?“
„Sagen Sie einfach, wer Sie sind. Ich bin sicher, dass man Sie reinlässt.“
„Okay. Ich ruf Sie an, wenn ich zu Hause bin. Warten Sie einen Moment, woher wussten Sie, dass ich hier bin?“
Cassie lachte. „Weil Sie die Sucht gepackt hat. Wiedersehn.“
Ich reichte Emily das Telefon. „Danke. Georgiana Peach fragt aus irgendeinem Grund nach mir.“
„Ich habe gehört, dass sie ernsthaft krank ist. Richten Sie ihr bitte aus, dass ich ihr baldige Besserung wünsche.“
Ich schnappte mir mein Notizbuch und meine Handtasche. Die einzige Information, die ich heute entdeckt hatte, war die Geschichte mit dem Onkel. Aber diese erschien mir wichtiger als alle Ehe-, Geburten- und Sterberegister, die ich gefunden hatte. Daniel's Bend. Wundervoll.
Wenn man aus der hellen Sonne in das Parkhaus der Uniklinik fährt, ist es, als tauche man in eine dunkle Höhle ein. Ich schaltete meine Scheinwerfer an und fuhr im Schritttempo, bis sich meine Augen an die Umstellung gewöhnt hatten. Auf Ebene 4 fand ich schließlich einen Parkplatz, der einen Block oder so vom Aufzug entfernt war. Ich stieg aus, schloss das Auto ab und versuchte mir genau einzuprägen, wo es stand. Das Problem an meinem Wagen ist seine Gewöhnlichkeit. Mittelalt und mittelgroß und in einer Farbe zwischen Grau und Blau, verschwindet er gern zwischen den anderen Autos.
Ich wanderte zum Aufzug, fuhr hinunter zur Ebene C, von der aus es laut Hinweisschild einen Fußgängerübergang zum Krankenhaus gab, und fand schließlich die Intensivstation im siebten Stock. Ein langer Marsch durch einen langen Gang führte mich ins Schwesternzimmer.
„Ich bin“, sagte ich atemlos zu einer hübschen brünetten Schwester, die dort stand, „Patricia Anne Hollowell. Sie haben eine Patientin namens Georgiana Peach, die mich, soweit ich weiß, sehen möchte.“
„Finden Sie den Namen nicht auch herrlich?“, sagte sie lächelnd. „Georgiana Peach.“ Sie wiederholte ihn ein wei-
teres Mal, so als würde sie ihn richtig auskosten: „Geor-giana Peach.“
Ich warfeinen Blick auf ihr Namensschild. Della Delong.
„Sie
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