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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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jetzt noch mal erzählen.«
    Elena lächelte gequält.
    »Es ist mir ein bisschen peinlich, ich habe überhaupt nicht viel mitbekommen. Als ich in München gelandet bin, wollte ich eigentlich mit dem Taxi zu dir fahren. Doch ich befürchtete, dass mein Geld vielleicht für die Taxifahrt nicht reicht. Also habe ich mir einen Stadtplan gekauft und festgestellt, dass deine Wohnung ganz in der Nähe einer S-Bahn-Station liegt. Auf dem Bahnsteig habe ich einen Augenblick gebraucht, um mich zu orientieren. Mit dem Stadtplan in der Hand stand ich da und schaute abwechselnd auf die Karte und auf die Straßenschilder. Plötzlich hat mich jemand sehr kräftig angerempelt, und ich bin nach vorn auf die Knie gefallen.«
    »Und du hast überhaupt niemanden gesehen?«, fragte Anna.
    »Ich sah kurz einen großen Mann mit schwarzen Haaren und einer Lederjacke. Er ging schnell davon und kümmerte sich nicht um den kleinen Auflauf, der sich um mich herum gebildet hatte. Ich habe sein Gesicht nicht erkennen können. Zwei alte Männer haben mir aufgeholfen. Meine Rippen auf der linken Seite haben zwar geschmerzt, doch es war zunächst nicht weiter schlimm, und deshalb bin ich einfach losgegangen. Ich trug eine dunkle Bluse, und offenbar fiel das Blut niemandem auf. Ich selbst habe es erst bei deinem Haus bemerkt. Meine Kraft hat gerade noch gereicht, um die Treppe hinaufzukommen. Da hat es schon stark geblutet.«
    »Okay, und wie fühlst du dich jetzt?«
    »Gut«, sagte sie, sah aber nicht gut aus. Sie war noch blasser geworden und lehnte sich erschöpft zurück. Das Sprechen hatte sie ganz offensichtlich angestrengt.
    »Sie muss sich ausruhen«, meinte Anna zu mir gewandt, »und in der Zwischenzeit erzählst du mir, was in Antwerpen los war.«
    Ich gab ihr eine knappe, ungeschönte Zusammenfassung über Morisaittes Zustand und die Männer, die ihn abgeholt hatten.
    »Oh, verdammt«, knurrte Anna, »das ist noch schlimmer, als ich dachte. Erstens hat er offenbar immer noch jede Menge Geld zur Verfugung, denn was immer die Anwälte ihn linkshändig haben unterschreiben lassen, wird nicht umsonst gewesen sein. Zweitens, wenn Brugmanns Beschreibung zutrifft, waren diese Männer keine bezahlten Helfer, sondern alte Kameraden von ihm. Vielleicht Leute aus Serbien. Die ihn womöglich lieben und bewundern! Scheiße!«
    »Glaubst du, dass er den Mord in Mombasa begangen hat? Wie hat er das gemacht?«, fragte ich.
    Anna nickte nachdrücklich.
    »Es ist keineswegs so schwierig, wie du es dir vorstellst. Wenn du genug Geld hast, kannst du heutzutage als Rollstuhlfahrer sehr komfortabel in jeden Winkel der Welt fliegen. Die wirklich guten Hotels haben behindertengerechte Zimmer und häufig schon barrierefreie Einrichtungen, und wenn du deine Muskelprotze in Krankenpflegeruniformen steckst, sieht man nicht mal ihre Tattoos. Du fällst nirgendwo auf, weil du nur ein Krüppel mit Pflegepersonal bist. Niemand misstraut dir, weil dir niemand etwas zutraut.«
    »Trotzdem, es fällt mir einfach schwer, mir vorzustellen, dass …«
    »Ach, du lieber Himmel«, sagte Anna müde, »was soll denn schwer daran sein, jemandem mit links die Kehle durchzuschneiden, wenn vier Leute ihn für dich festhalten.«

Sechs
    E
    lena, die auf dem Sofa eingenickt war, schreckte bei Annas letztem Satz hoch und starrte uns ungläubig an.
    »Wie hast du das gemeint?«, fragte sie Anna.
    »Erzähl ich dir morgen. Eine alte Geschichte, die zunächst nur Thomas und mich betrifft. Es ist schon spät, wir sind alle müde. Eine Frage ist allerdings noch offen. Versteh mich nicht falsch, ich freue mich, dich wiederzusehen, und selbstverständlich kannst du bei uns wohnen. Wir werden eine gute Zeit in München haben. Nur, nach dem, was heute passiert ist, glaube ich nicht, dass dies ein Höflichkeitsbesuch ist. Also Elena: Warum bist du gekommen?«
    »Hilf mir hoch, bitte«, antwortete Elena, »ich glaube, jetzt möchte ich doch etwas trinken.«
    Anna brachte sie vorsichtig in eine aufrechte Sitzposition. Elena nahm sich ein Bier und nippte daran. Sie schien intensiv nachzudenken.
    »Ich bin gekommen«, sagte sie schließlich, »weil ich nicht wusste, was ich tun sollte. Wenn man von Ole Petersen in Hamburg, der vor allem ein Freund meines Schwiegervaters ist, einmal absieht, seid ihr die einzigen Menschen in Westeuropa, die ich persönlich kenne und denen ich vertraue. Ich hatte Angst. Natürlich hätte ich auch schreiben oder anrufen können, doch ich habe gedacht, dass es … nun

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