Moerderische Fracht
lässigen Geste abgetan.
»Vergiss es. Jetzt weißt du jedenfalls, warum ich niemals auf Friedhöfe gehe!«
Das Wetter in Cuxhaven war grau und diesig, und es war deutlich kühler geworden. Meiners erwartete uns oben an der Treppe, die zu dem großen braunen Gebäude hinaufführt. Ich sah die Kameras und registrierte, dass das gesamte Areal um das WSA, wie die Cuxhavener ihr Wasser- und Schifffahrtsamt nennen, videoüberwacht war.
»Gut, dass ihr da seid«, sagte Meiners, »die warten schon.«
Er führte uns in einen nüchtern eingerichteten Konferenzraum, wo an einem großen ovalen Tisch bereits eine Gruppe von Männern saß, die sich leise unterhielten. Meiners stellte uns vor und wies mit einer entsprechenden Geste in die Runde.
»Also, ich fange mal von links an: Arne Skerning und Ole Bengtson von der dänischen Küstenwache, neben ihnen Hannes Monk vom Havariekommando, Kornelius Regner vom Wasser- und Schifffahrtsamt und Oberkommissar Hartmann von der Bundespolizei. Nils Vohrmann kennt ihr schon. Der Herr neben ihm heißt Maybauer und ist vom Bundesnachrichtendienst. Wir haben auch die russische Botschaft in Berlin benachrichtigt, aber die haben bisher nichts von sich hören lassen.«
Wir setzten uns auf die noch freien Plätze, und alle sahen uns erwartungsvoll an. Die beiden Dänen lächelten freundlich. Skerning und Bengtson waren sehr groß, blond und beleibt. Sie hätten Brüder sein können, und beide hatten eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem schwedischen Schauspieler Rolf Lassgård, der in den Verfilmungen der Romane von Henning Mankell den wahrscheinlich besten Kurt Wallander abgegeben hatte. Maybauer vom BND hingegen war klein, dunkelhaarig und unrasiert und machte einen nervösen und übernächtigten Eindruck.
Meiners ergriff noch einmal das Wort.
»Also, dies ist ein informelles Treffen, und es beruht, wenn Sie so wollen, auf Vertrauen. Sie alle sind hierher gekommen, weil Hannes Monk vom Havariekommando Sie darum gebeten hat, und weil Sie wissen, dass er sich keinen Blödsinn aus den Fingern saugt. Und Hannes Monk wiederum hat diesen Termin arrangiert, weil er darauf vertraut, dass ich die Glaubwürdigkeit einer Informantin beurteilen kann. Je nachdem, wie unsere Einschätzung ausfällt, werden wir weitere Schritte einleiten. Ich möchte deshalb damit beginnen, dass Frau Bakarova mit ihren eigenen Worten erzählt, was sie von Chasimikow erfahren hat.«
Elena räusperte sich und berichtete darauf mit fester Stimme, wie sie Ediew Chasimikow vor dem Haus ihres Schwiegervaters in Ventspils getroffen und was genau er gesagt hatte, und sie vergaß auch die beiden Anschläge auf sie selbst nicht.
Als sie geendet hatte, herrschte zunächst Schweigen. Dann fasste Nils Vohrmann die Überlegungen und Schlussfolgerungen zusammen, die er mit Paulsen und Wenger hinsichtlich Zeit und Ort des Anschlages angestellt hatte. Maybauer kratzte unschlüssig seinen Dreitagebart und gab ein ungeduldiges Knurren von sich.
»Also, das ist schon alles ziemlich spekulativ, oder? Auch was Herr Vohrmann vorgetragen hat. Und Sie«, sagte er zu Elena gewandt, »hätten den Mordanschlag im Zug den Behörden melden müssen! Egal. Ich danke Ihnen jedenfalls, dass Sie hierher gekommen sind. Haben Sie diesem Chasimikow sofort geglaubt?«
»Erst nicht, später schon. Seine Enttäuschung war echt, und warum hätte er mit seinem letzten Geld nach Ventspils kommen sollen, nur um meinem Schwiegervater eine komplizierte Lüge zu erzählen.«
»Da ist was dran«, sagte Monk, »und die beiden Anschläge auf Frau Bakarova, für die es ja Zeugen gibt, sprechen ebenfalls für den Wahrheitsgehalt der Geschichte.«
Der Mann vom Havariekommando war ein langer, sehniger Typ mit Vollbart und Rollkragenpullover, den man sich nur schwer in einem Büro vorstellen konnte. Er war mir auf Anhieb sympathisch, was man von Maybauer nicht behaupten konnte. Die Art, wie er Elena ansah, gefiel mir gar nicht.
»Ich zweifle nicht an der persönlichen Glaubwürdigkeit von Frau Bakarova«, sagte Maybauer, »und die Gefahr des maritimen Terrorismus nehmen wir sehr ernst. Es gibt viele Experten, die befürchten, dass ein neuer großer Terroranschlag das nächste Mal auf See stattfinden könnte – nach den Gebäudesymbolen von 2001, den Zugattacken von Madrid und den U-Bahn-Attentaten von London. Doch ich glaube nicht an tschetschenische Attentäter, und zwar aus einem einfachen Grund: Die Separatisten im Kaukasus wollen einen eigenen, von Moskau
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