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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Scheißangst vor Morisaitte. Wenn der tot ist, kannst du dich meinetwegen betrinken. Wochenlang, wenn es sein muss. Heute Abend nicht!«
    Ich sah Anna an. Ihr schmales, hübsches Gesicht mit dem entschlossenen, rechthaberischen Zug um den Mund und den vor Ärger bebenden Nasenflügeln hatte sich so nahe vor meines geschoben, dass ich ihren Atem riechen konnte. Und sie sprach mit Helens Stimme. Als ich sie kennenlernte, hatte mich die verblüffende Ähnlichkeit ihrer Stimme mit der ihrer Schwester fasziniert. Jetzt ging sie mir in einer Weise auf die Nerven, die ich nicht für möglich gehalten hatte.
    »Du weißt immer genau, was zu tun ist, nicht wahr?«, sagte ich giftig. »Wann die Bullen gerufen werden, wer von uns beiden klar denken kann und wann ich trinken darf. Schon vergessen, wie oft du es geschafft hast, dich ganz ohne Alkohol in die Scheiße zu reiten?«
    Elenas Blick wanderte erschrocken zwischen Anna und mir hin und her, diese ließ die Gemeinheit jedoch einfach an sich abperlen.
    »Du musst was essen«, sagte sie.
    Ich schwieg verstockt. Anna öffnete noch einmal die Speisekarte.
    »Die haben hier argentinische Steaks«, sagte sie und rollte begeistert mit den Augen, »Riesendinger, zwar teuer …« Ihr Handy klingelte. Anna fummelte es umständlich aus ihrer Jackentasche und schaute auf das Display.
    »Meiners«, sagte sie.
    Sie meldete sich, hörte einen Augenblick konzentriert zu und schaute schließlich Elena und mich an.
    »Können wir morgen früh um zehn Uhr in Cuxhaven sein?«
    Wir nickten.
    »Geht klar«, sagte Anna in den Hörer und lächelte, »ja, ich freue mich auch.« Damit legte sie auf.
    Meine schlechte Laune war wie weggeblasen.
    »Hey, was läuft da denn?«
    Anna zuckte mit den Schultern und grinste.
    »Der ist zu alt für dich!«, behauptete Elena.
    »Wie kannst du das wissen?«
    »Na ja«, sagte ich, »ein Blick in den Ausweis könnte helfen.«
    Anna lächelte immer noch versonnen, knüllte ihre Serviette zusammen und warf sie mir an den Kopf. Dann winkte sie den Kellner heran und deutete auf mich.
    »Der Herr möchte doch etwas essen. Ein großes Steak, Folienkartoffeln und Salat.«
    Der Kellner drehte seinen Kopf zu mir und zog blasiert die Augenbrauen hoch.
    »Okay«, sagte ich.

Fünfzehn
    10. September
    K
    uckshafen, Koogshafen oder Cuxhaven, es hat etliche hundert Jahre gedauert, bis der heutige Name der Stadt feststand, aber alle Versionen leiten sich vom niederdeutschen und skandinavischen Wort ›koog‹ ab, was so viel wie eingedeichtes Land bedeutet«, sagte Anna, während wir nach Cuxhaven hineinfuhren.
    Sie saß auf dem Beifahrersitz, blätterte in ihrem Reiseführer und war glänzend aufgelegt. Getreu ihrer Devise, nirgendwo hinzufahren, ohne sich vorher zu informieren, hatte sie uns auf der Fahrt mit einer launigen Kurzfassung der Cuxhavener Stadtgeschichte gequält und war jetzt beim historischen Ursprung angelangt.
    »Die halbinselartige Randlage an Nordsee und Elbmündung bescherte dem Ort im Mittelalter einen langen, weltabgeschiedenen Dämmerschlaf. Der hätte wahrscheinlich bis heute angedauert, wenn das Rittergeschlecht der Lappes, das dort damals den Ton angab, sich nicht mit den Hamburgern angelegt hätte. Die waren es nämlich leid, dass die Herren Ritter ihren Lebensunterhalt durch Strandräuberei und Überfälle auf Hamburger Schiffe aufbesserten, und machten dem Spuk 1392 mit ein paar hundert Bewaffneten ein Ende. Danach kam das ganze Land für satte 500 Jahre unter Hamburger Herrschaft. Aus der Raubritterburg wurde das Amt Ritzebüttel, wo jetzt Hamburger Senatoren den Eingeborenen hanseatische Lebensart einbläuten. Im Jahr 1907 erhielt Cuxhaven das Stadtrecht, blieb aber auch weiterhin eng mit Hamburg verbunden. So waren bis 1993 der Amerika-Hafen und das Steubenhöft Hamburger Eigentum, obwohl sie zum Cuxhavener Stadtgebiet gehören, und eine Revierwache der Hamburger Wasserschutzpolizei befindet sich noch immer in Cuxhaven. Ein ganz schöner Kuddelmuddel, oder?«
    Anna lachte und klappte ihren Reiseführer zu. Ich sah im Rückspiegel, wie Elena genervt mit den Augen rollte. Immerhin waren wir pünktlich. Ich parkte Meiners’ Auto um zehn Uhr am Gebäude der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nahe dem Cuxhavener Fährhafen, wo das Maritime Sicherheitszentrum untergebracht war.
    Der Vorabend war noch einigermaßen harmonisch zu Ende gegangen. Das Steak schmeckte fantastisch, und Anna hatte meinen Versuch, mich zu entschuldigen, mit einer großzügig

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