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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Versenkung von drei ausgedienten, mit Steinen gefüllten Schiffen. Eines dieser Schiffe hieß Olivia, wurde von der Bevölkerung jedoch nur Oliv genannt. Und das entspricht phonetisch dem plattdeutschen Wort für ›alte Liebe‹.«
    »Und der Name Monk«, fragte Elena, »ist das ebenfalls plattes Deutsch?«
    »Nein«, lachte Monk, »das ist plattes Englisch – ich habe ein paar schottische Vorfahren.«
    »Ich bin sehr neugierig auf das Wattenmeer«, sagte Elena, »so etwas gibt es bei uns nicht. Wollen wir nicht eine Wanderung machen? Anna hat erzählt, man könne zu Fuß zur Insel Neuwerk laufen.«
    »Ja«, sagte Monk, »daher der Name. Das watend begehbare Meer. Es wird zweimal täglich während eines Hochwassers überflutet und fällt, wie man so schön sagt, während des Niedrigwassers trocken. Diese trockenfallenden Flächen sind das Watt. Ihr könnt von Duhnen oder Sahlenburg aus nach Neuwerk laufen. Dauert etwa zweieinhalb Stunden. Aber bitte auf die Gezeiten achten!«
    »Ist das wirklich so gefährlich?«, fragte Elena.
    »Allerdings!«, sagte Monk kurz angebunden, und sein Tonfall ließ erahnen, dass er das für eine dumme Frage hielt. Doch schließlich waren wir ja nicht von hier, und so besann er sich eines Besseren. »Der Gezeitenwechsel findet durchschnittlich alle sechs Stunden und zwölf Minuten statt. Aber die Flut benötigt im Schnitt nur 85 Prozent der Zeit, in der die Ebbe abfließt, was bedeutet, dass die Flut wesentlich stärkere Strömungen aufweist. Das Wasser läuft schnell auf, und der Tidenhub bei Cuxhaven beträgt ungefähr 2,85 Meter. Selbstverständlich ist das gefährlich.«
    »Kann man es denn verantworten, die Touristen da herumlaufen zu lassen?«, fragte Elena hartnäckig.
    »Nun, die meisten Touristen nehmen an geführten Wanderungen teil, und wir haben an vielen Stellen im Watt stationäre Rettungsbaken aufgestellt, die Leuten, die von der Flut überrascht werden, als Zufluchtsort dienen. So eine Bake besteht aus einem stählernen Mast mit einem geschlossenen Metallgitterkorb an der Spitze, der über eine Bodenluke mit Leiter erreichbar ist. Es passen etwa sechs Leute hinein, und der Gitterkorb funktioniert bei Gewitter als faradayscher Käfig. In diesen Körben gibt es Decken, Proviant und Trinkwasser sowie Signalgeräte. Auf dem acht Kilometer langen Weg von Cuxhaven nach Neuwerk stehen sieben von diesen Rettungsbaken, es ist also für Wattwanderer sehr viel sicherer geworden.«
    Elenas Neugier schien fürs Erste befriedigt zu sein, und nach einem kleinen Rundgang verließen wir die Galerie und trafen unten auf Anna und Meiners, die uns durchnässt, jedoch gut gelaunt begrüßten. Gemeinsam schlenderten wir zu den Liegeplätzen der Helgoland-Fähre und der Ausflugsdampfer, welche die Fahrten zu den Seehundbänken anbieten, drängelten uns durch die in diesem Teil des Hafens besonders zahlreichen Touristen und aßen dann in einem schicken Restaurant mit Blick auf den Kai überteuerte, aber leckere Schollenfilets.
    »Was passiert jetzt weiter?«, fragte Anna.
    Hannes Monk zuckte mit den Achseln.
    »Wir müssen erst hören, wie der Mann von der russischen Botschaft die Angelegenheit einschätzt. Schließlich handelt es sich um ein russisches Schiff, dem der potenzielle Anschlag gilt. Ansonsten werden wir alle nur erdenklichen Maßnahmen treffen, um auf die Katastrophe vorbereitet zu sein. Ökologisch, polizeilich und militärisch.«
    »Könnte man die russischen Eigner nicht dazu bringen, die Kadetrinne an diesem Tag nicht zu passieren?«, fragte Anna.
    »Diesen Vorschlag solltest du Grygoriew unbedingt machen. Ich sehe die Szene direkt vor mir«, sagte Elena sarkastisch.
    »Wissen Sie, was die Abkürzung ETA bedeutet?«, fragte Monk.
    »Euskadi Ta Askatasuna«, antwortete Elena wie aus der Pistole geschossen, »Baskenland und Freiheit. Eine linksextreme Splitterorganisation in Spanien.«
    Anna nickte anerkennend.
    »Zehn Semester Politikwissenschaft zahlen sich aus.«
    »In diesem Fall nicht«, erklärte Monk, »im See- und Luftverkehr steht ETA nämlich für ›estimated time of arrival‹. Es ist die geschätzte Ankunftszeit eines Schiffes im Zielhafen. Wie die genau berechnet wird, braucht Sie nicht zu kümmern, aber auch heutzutage wird sie natürlich noch von Wind- und Wetterverhältnissen beeinflusst und stellt somit eine gewisse Unwägbarkeit dar. Diese geschätzte Ankunftszeit spielt eine außerordentlich wichtige Rolle in der Frachtschifffahrt. Sie wird nämlich geplant,

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