Moerderische Fracht
kosten, von den psychologischen Folgekosten mal ganz abgesehen. Die Sache hat aber einen entscheidenden Haken: Die Häfen haben ihre Sicherheit inzwischen enorm verbessert.
Nimm beispielsweise den Hamburger Hafen. Da wissen die Behörden schon, wer in die Elbe einläuft, wenn das Schiff noch hundert Kilometer weit draußen auf See ist. Die Schiffe müssen sich in dem sogenannten Point of Contact, der hier bei uns im Wasser- und Schifffahrtsamt ist, vierundzwanzig Stunden vorher anmelden. Kapitäne brauchen heutzutage für die Kommunikation mit den Behörden ein persönliches Passwort und müssen einen detaillierten Reiseplan vorlegen, aus dem hervorgeht, wie groß ihr Schiff ist, welche Fracht es an Bord hat, woher es kommt und wohin es will. Diese Informationen haben die Hafenbehörden auf ihren Monitoren, lange bevor ein Schiff in einen Hafen einläuft.«
»Wie im Luftverkehr?«, fragte Anna.
»Genau«, sagte Arne Skerning, »das meiste davon haben die Amerikaner durchgesetzt. Die sind da seit dem 11. September absolut knallhart. Wer mit den USA Handel treiben will, muss seit 2004 im Rahmen eines ISPS-Codes verschärfte Sicherheitsstandards erfüllen, und die haben es in sich. Es dürfen jetzt nur noch Schiffe, die aus zertifizierten Häfen kommen, die US-Küste überhaupt ansteuern. Für deutsche Häfen wie Hamburg oder Bremerhaven bedeutet das, dass sie sich verpflichten müssen, sämtliche Zugänge zu Schiffen und Terminals zu überwachen sowie Waren und Personen streng zu kontrollieren. Also wenn ich ein Terrorist wäre, würde ich es auch auf dem Meer probieren!«
»Gut«, sagte Regner, »doch geben uns diese Überlegungen nun einen Hinweis auf die Art des Anschlags?«
Meiners zuckte mit den Achseln.
»Nein, aber ich denke, wir können sagen, wie sich aus der Sicht der Terroristen Erfolg definiert.«
»Ja«, sagte Hartmann, »ich glaube, Sie haben recht. Es geht nicht lediglich um eine Havarie oder eine ökologische Katastrophe: Wirklich erfolgreich ist der Anschlag, wenn sie es schaffen, einen Tanker quer zur Fahrrinne zu versenken.«
Arne Skerning murmelte einen Schwall von Wörtern, deren obszöner Charakter sich ganz ohne dänische Sprachkenntnisse erschloss. Es klopfte leise an der Tür, eine Frau in mittleren Jahren betrat den Raum, beugte sich zu Hannes Monk hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Monk nickte und schaute in die Runde.
»Die russische Botschaft hat sich gemeldet. Sie schicken jemanden hierher, der ihre Sicht der Dinge vermittelt, wie es so schön hieß. Einen Handelsattaché namens Anatol Grygoriew.«
Bei der Nennung des Namens legte Elena ihre Hand auf meine und drückte sie erschrocken. Niemand außer mir bemerkte es.
»Wir werden uns also vertagen und treffen uns heute Nachmittag um 15 Uhr wieder. Ole Petersen vom Verband der See- und Hafenlotsen wird auch dazustoßen.«
Alle Anwesenden nickten erfreut, und Anna strahlte. Als wir Petersen vor zwei Jahren kennengelernt hatten, war sie vom ersten Moment an fasziniert von ihm. Heilige Scheiße, sieht der gut aus, hatte sie mir zugeflüstert.
»Ich denke, wir können im weiteren Fortgang auf Dr. Nyström und die beiden Damen in seiner Begleitung verzichten«, tönte Maybauer in das allgemeine Gemurmel hinein. »Was sie uns mitteilen wollten, wissen wir jetzt, und was in diesem Gremium beschlossen wird, berührt die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und unterliegt in jedem Fall der Geheimhaltung.«
Das hatte ich befürchtet. Wir waren schließlich bloß Zivilpersonen, die ihre staatsbürgerliche Pflicht erfüllt und ein geplantes Verbrechen angezeigt hatten. Welche Maßnahmen jetzt auch immer ergriffen wurden, war Sache der Behörden und ihrer Spezialisten. Trotzdem war ich enttäuscht – und nicht nur ich. Elena blickte ungläubig in die Runde, während Anna Maybauer wütend anstarrte. Dieser starrte ungerührt zurück. Meiners schien intensiv nachzudenken und traf schließlich eine Entscheidung.
»Nein«, sagte er und sah dabei fragend zu Monk hinüber, »wir sollten sie dabeihaben, und zwar als externe Berater – oder wie immer Sie das offiziell deklarieren wollen. Elena Bakarova kennt den Fall vom ersten Augenblick an und besitzt detaillierte Kenntnisse über den Hintergrund der Attentäter. Außerdem spricht sie als Einzige in dieser Runde fließend Russisch. Es wäre kontraproduktiv, sie aus dem Beraterstab auszuschließen. Für die Integrität und Verschwiegenheit von Nyström und Jonas bürge ich
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