Moerderische Fracht
wurde, nur Sie mit dem Rollstuhl im Watt auszusetzen, war mit Sicherheit ein spontaner Einfall.«
»Ja, und?«
»Nun, ich habe mich gefragt, was die mit Ihnen und dem Rollstuhl angestellt hätten, wenn an dem Abend Flut gewesen wäre. Verstehen Sie, wie war Plan B, der vielleicht ursprünglich Plan A war? Vielleicht hatte man vor, Sie mit Sekundenkleber im Rollstuhl zu fixieren, mit Benzin zu übergießen und dann brennend die Hafenmole runterrollen zu lassen. So was hab ich mal in einem Film gesehen: Roter Drache, nach einem Roman von Thomas Harris.«
»Raus!«
Winter stand auf und schenkte mir ein vages, aber unbestreitbar gehässiges Lächeln.
»Gute Besserung!«, sagte er.
Vierunddreißig
A
ls Winter die Tür hinter sich schloss, bat ich die Krankenschwester um eine weitere Schmerztablette und lehnte mich erschöpft zurück.
Nichts war vorbei. Als ich damals meinen Handel mit Geldorf besiegelte, war ich glücklich gewesen, mein Leben zurückzubekommen. Und Geldorf hielt Wort. Er hatte sich bestechen lassen, Beweismittel manipuliert und mir das Leben schwer gemacht, aber mich, wenn auch aus eigenem Interesse, letztendlich laufen lassen und geschwiegen.
Erst im Augenblick seines Todes hatte er mich wieder hineingezogen. Sprechen Sie mit Dr. Nyström aus München. Der weiß, wo das Schwein … Ich konnte es ihm nicht verdenken, nur leider irrte er sich. Dr. Nyström wusste nicht, wo das Schwein war.
Mit Born hatte ich jetzt praktisch die gesamte Hamburger Polizei auf dem Hals. Wenn ein Polizist getötet wird, gehen die Kollegen nicht einfach zur Tagesordnung über, waren Winters Worte bei unserem ersten Gespräch gewesen. Morisaittes Versuch, mich im Watt sterben zu lassen, war zwar fehlgeschlagen, doch mit diesem Anschlag und Geldorfs Ermordung war ich erneut in die Schusslinie der Staatsgewalt geraten, ohne die geringste Ahnung zu haben, wie ich da wieder herauskommen sollte.
Meine Erinnerungen an Born waren nicht besonders deutlich. Ich hatte ihn auf dem Polizeirevier kennengelernt, nachdem ich bei meiner Ankunft in Hamburg Helens Tür polizeilich versiegelt vorgefunden hatte. Ein noch junger Mann in Jeans und Flanellhemd, der relativ unauffällig in Geldorfs Windschatten gesegelt war und jetzt offenbar genug Format hatte, um in dessen Fußstapfen zu treten.
Ich angelte mir das Krankenhaustelefon vom Nachttisch und wählte Annas Handynummer. Sie war sofort dran.
»Hi!«, sagte sie, »schon Sehnsucht?«
»Du hattest recht mit Winter. Er ist sehr clever, auch wenn er aussieht wie jemand, der gerade zum dritten Mal durch die Steuerberaterprüfung gefallen ist. Er hat mir ziemlich zugesetzt.«
Ich erzählte ihr von dem Gespräch und dem angekündigten Besuch der Hamburger Polizei, und Anna schien meine Besorgnis zu spüren.
»Soll ich zu dir nach Cuxhaven kommen?«
»Nein, das zielt ausdrücklich auf mich. Von dir wollen sie nichts, und ich will nicht, dass du ohne Not in deren Visier gerätst. Wo bist du jetzt?«
»Im Institut für Meeresbiologie in Warnemünde. Hier ist der Teufel los. Ich versuche ein bisschen zu helfen, wo es halt geht. Die sind die ganze Zeit mit Wasserproben beschäftigt. Ein Teil des Öls wurde ja bei der Explosion abgefackelt, trotzdem ist der Ölteppich riesig, und der starke Wind behindert immer noch die Arbeit der Ölbekämpfungsschiffe. Es werden auch immer noch Leichen angeschwemmt. An der Küste sind Hunderte von freiwilligen Helfern im Einsatz, doch es gab am Anfang große Probleme bei der Bereitstellung von Atemschutzmasken, Schutzanzügen und Spezialhandschuhen. Der hohe Schwefelgehalt macht die schwarze Pampe extrem krebserregend, und die Behörden mussten die Leute davon abhalten, sich einfach so an die Arbeit zu machen. Viele von denen, die vor zwanzig Jahren versuchten, die schwarze Küste von Alaska zu säubern, leiden bis heute an Lungen- und Nervenkrankheiten oder ständigem Nasenbluten. Was den Biologen im Institut Kopfschmerzen macht, ist die Tatsache, dass die Ostsee so flach ist. Einen Wasseraustausch mit dem Atlantik gibt es nur über den Umweg Nordsee, und die geringe Tiefe begrenzt diesen Umweg offenbar stark. Volker meint, statistisch gesehen bleibt ein Wasserteilchen zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre in der Ostsee, bevor es durchs Skagerrak oder Kattegatt hinausgespült wird. So viel zum Thema Selbstreinigung.«
»Wie läuft es zwischen Volker und dir?«
»Im Moment läuft gar nichts, weil er schuftet wie ein Tier. Ich habe nicht
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