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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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gewusst, dass er einen so wichtigen Job macht«, sagte Anna, und die Bewunderung und Zärtlichkeit in ihrer Stimme waren auch eine Antwort auf meine Frage.
    »Könntest du dir vorstellen, bei ihm die Anzahl der Seitenhiebe und Verbalattacken zu halbieren?«
    »Hat er sich beschwert?«
    »Nein, der Vorschlag kommt von mir.«
    Anna schwieg eine Weile.
    »Du meinst, zwischendurch einfach mal das Maul halten …?«
    »… ist der Anfang aller Diplomatie!«
    »Danke!«
    »Wozu hat man Freunde?«
    »Stimmt«, sagte sie und legte auf.
    Nach dem Mittagessen kam Elena und brachte mir ein Notebook mit, aber ich hatte keine Lust mehr, mir Meiners’ DVD anzusehen. Mein Bedarf an Katastrophenmeldungen war gedeckt. Stattdessen machte ich mit Elena und einer resoluten Physiotherapeutin ein paar erste Gehversuche auf dem Flur, die mich so erschöpften, dass ich den Rest des Tages verschlief, und als ich in den frühen Morgenstunden aufwachte, entschied ich mich dafür, Born die Wahrheit zu sagen. Nun ja, zumindest den Teil davon, der mir etwas nützen würde.

Fünfunddreißig
    17. September
    E
    r sah nicht mehr so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte.
    Hauptkommissar Born mochte etwa fünfunddreißig Jahre alt sein, hatte seit unserer letzten Begegnung deutlich abgenommen und offenbar ein paar einschneidende, lebensverändernde Ereignisse hinter sich. Zumindest deuteten die tiefen Falten um seinen Mund und die dunklen Schatten unter den Augen darauf hin. Ich tippte auf Scheidung mit Verlust des Hauses. Mindestens. Er war unrasiert, und die Fingerspitzen seiner rechten Hand, die er mir zur Begrüßung entgegenstreckte, waren von Nikotin verfärbt. Wie vor zwei Jahren trug er Jeans, ein kariertes Hemd und die Haare ziemlich lang, aber das lässige Outfit machte dieses Mal einen eher heruntergekommenen Eindruck. Im Unterschied zu Winter sah Born nicht im Entferntesten wie ein Beamter aus. Dies traf in gewisser Weise auch auf seine beiden Begleiter zu, die er mir als Becker und Reimann vorgestellt hatte. Sie waren zwar korrekt gekleidet, wirkten aber mit ihren rabiaten und mürrischen Gesichtern wie Rausschmeißer vom Kiez und gehörten erkennbar zu der Sorte Bullen, die bei einer Razzia erst einmal zuschlägt und sich dann die Ausweise zeigen lässt. Sie waren an der Zimmertür stehen geblieben und beobachteten misstrauisch, wie Born mich unerwartet freundlich begrüßte.
    »Wie geht es Ihnen? Wir müssen mit Ihnen sprechen. Können Sie aufstehen?«
    »Ja! Kann ich mit Ihnen allein reden?«
    »Nein!«
    »Es wäre im Interesse der Ermittlungen. Und im Interesse von Geldorf.«
    Borns Gesicht wurde rot vor Ärger, doch er hatte sich im Griff und schien ernsthaft über meine Bitte nachzudenken.
    »Okay«, sagte er schließlich, »aber ich will irgendwohin, wo man rauchen kann!«
    »Dies ist ein Krankenhaus!«
    »Na und? Beinahe alle Ärzte, die ich kenne, rauchen. Also muss es auch hier einen Ort dafür geben. Ich frage mal im Stationszimmer.«
    Nach zwei Minuten war er wieder da und schob einen Rollstuhl vor sich her.
    »Tut mir leid«, sagte er verlegen, »rauchen können wir nur auf der Terrasse der Cafeteria, und die Schwester meinte, so weit dürften Sie auf gar keinen Fall laufen.«
    Ich starrte entsetzt auf den Rollstuhl und bemühte mich, die aufkommende Panik niederzukämpfen.
    »Sie wissen verdammt gut, warum ich da nicht hineinkann!«
    »Deal or no deal«, sagte Born, von einem Augenblick auf den anderen den Tonfall wechselnd. »Sie wollen mit mir allein sprechen, und ich will dabei rauchen. Also, was ist jetzt?«
    Die Freundlichkeit seiner Eingangsworte war von schneidender Kälte abgelöst worden, die er genauso schnell wieder verschwinden ließ.
    »Kommen Sie, ich helfe Ihnen«, sagte er, als ich meine Beine aus dem Bett schwang. Fürsorglich reichte er mir einen Bademantel und schob den Rollstuhl näher heran. Born hatte offensichtlich ein Verfahren entwickelt, die alte Bad Cop/Good Cop-Nummer im Alleingang aufzuführen. Wenn er nicht aufpasste, würde er in der Klapsmühle enden. Freundlich plaudernd schob er mich auf die Terrasse der Cafeteria, die von einer hellen Vormittagssonne beschienen wurde, besorgte zwei Becher Kaffee und einen Aschenbecher, setzte sich an einen Tisch und zündete sich genüsslich eine Zigarette an.
    Auf der kurzen Fahrt im Rollstuhl hatte ich versucht, die Erinnerungen an die Nacht im Watt zu unterdrücken, was natürlich nicht funktionierte, sondern den Schweißausbruch und die Übelkeit noch

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