Moerderische Fracht
und starrte auf den Fußboden. Nach einer Weile hielt Anna das Schweigen nicht mehr aus.
»Und drittens?«
Elena schaute auf und sah Anna in die Augen.
»Drittens«, sagte sie kalt, »hätte er seine Hand nicht unter meinen Rock schieben sollen.«
Dann stand sie auf und ging ins Bad. Wenig später hörten wir das Rauschen der Dusche.
Vierundvierzig
D
as Feuer im Kaminofen war fast heruntergebrannt. Ich stand auf und legte zwei Scheite nach. Die auflodernden Flammen warfen ein warmes Licht auf Annas schmales, angespanntes Gesicht. Mein Blick wanderte durch den Raum und blieb an einer Schachtel Mentholzigaretten hängen, die auf dem Couchtisch lag. Es war die Sorte, die Jette Paulsen auf der Gartenterrasse an der Elbchaussee geraucht hatte. Keine Gefahr. Mentholzigaretten hatte ich schon gehasst, als ich selbst noch rauchte.
Auf dem Sofa hatte Jette Paulsen angefangen, leise zu schnarchen.
»Meinst du, Elena hat recht mit dem, was sie sagt?«, fragte Anna.
»Womit?«
»Das Grygoriew ein gebrochener Mann ist?«
»Ja. Er wird diese Situation immer wieder durchleben. Albträume, Schweißausbrüche, Schreckhaftigkeit und Depressionen, die ganze Palette. Das, was meine Kollegen in München eine posttraumatische Belastungsstörung nennen. Wenn er den Geheimdienstapparat und seine alte Machtposition noch hätte, könnte er vielleicht irgendwie damit fertig werden. Aber so nicht. Nicht allein. Und einen Psychotherapeuten wird er nicht aufsuchen.«
Anna nickte.
»Posttraumatische Belastungsstörung«, sagte sie und ließ sich die Worte auf der Zunge zergehen, »was für ein bescheuerter und nichtssagender Ausdruck für das, was da passiert.«
»Mag sein.«
»Soll ich dir sagen, was Elena gemacht hat?«
»Klar!«
Anna zögerte einen Augenblick, und dann hörte ich das Lächeln in ihrer Stimme.
»Sie hat seine Seele filetiert.«
Dem war nichts hinzuzufügen.
Ich stellte die Rückenlehne von Jettes Fernsehsessel zurück, streckte mich aus und schloss die Augen. Annas Stimme schien aus großer Entfernung auf mich zuzuschweben.
»Thomas?«
»Ja.«
»Wo ist Morisaitte?«
»Keine Ahnung.«
»Was wird er tun?«
»Ich weiß es nicht.«
Trotz der bulligen Hitze, die Jettes Kaminofen abstrahlte, war mir kalt. Kalt vor Angst. Morisaitte war längst klar, dass ich den Ausflug ins Watt überlebt hatte. Würde er zurückkommen, um die Sache zu beenden? Hatte er den Anschlag auf seinen Van irgendwie mit uns in Verbindung gebracht?
Auf eine vage, abstrakte Weise, die ihn vielleicht eingeschüchtert hatte? Oder ihn zumindest dazu bewegen würde, uns in Ruhe zu lassen? Mit Sicherheit nicht. Wie auch immer er sich den Granatwerfer-Angriff erklären mochte, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er uns dafür verantwortlich machte. Einen Psycho-Heini und eine Punkerin. Ich öffnete die Augen und schaute nach rechts. Der Sessel neben mir war leer. Die Punkerin hatte sich ins Bett verzogen.
Morisaitte würde uns finden.
War es wirklich so wichtig, zu versuchen, diesen Mann zu töten? Mir hat es nichts genutzt. Ich dachte an Helens Worte in meinem Kopf, als ich an ihrem Grab stand. Dann sah ich Annas Gesicht vor mir, als sie die Desert Eagle betrachtete: Eine Waffe für die Jagd. Eine Fangschusswaffe. Genau das, was wir brauchen.
Anna hatte recht.
Wir würden ihn finden.
Anhang
S
ie sind noch da? Das ist gut! Wenn Sie so lange durchgehalten haben, können Sie vielleicht ein paar weitere Minuten erübrigen. Müssen Sie aber nicht. Die Geschichte ist definitiv zu Ende. Obwohl – die ganze Geschichte nicht: Wenn Sie wissen möchten, wie die ausgeht, empfehle ich die Lektüre von Band 3, Bilanz des Todes, sobald er dann da ist.
Aber es gibt darüber hinaus ein paar Dinge, die ich gerne loswerden möchte.
Zunächst einmal: Dieses Buch ist ein Roman, also ein von vorn bis hinten fiktionaler Text. Das bedeutet, dass ich die ganze Geschichte erfunden habe. Sie ist der zweite Teil einer Trilogie, in der Umweltzerstörung, Frachtschifffahrt, Ölindustrie und maritimer Terrorismus eine Rolle spielen. Alle im Roman vorkommenden Privatpersonen sind Fiktion, eine Ähnlichkeit mit wirklichen oder gar noch lebenden Menschen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.
Andererseits ist die Handlung des Romans eingebettet in eine Reihe von politischen Ereignissen und ökonomischen Abläufen, die sehr real sind und deren Dynamik bis heute ungebrochen ist. Was bisher noch nicht geschah, könnte nach Meinung von Experten jederzeit
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