Moerderische Idylle
seit der Scheidung noch Kontakt habe. Auch ein reizender Junge, Noppe genannt, in Wirklichkeit heißt er Carl-Fredrik, aber ich glaube, dass Linda ihn ganz einfach satt hatte, es gab so viel Neues für sie, seit sie an der Polizeischule angefangen hatte.«
War Linda streitsüchtig, hatte sie Feinde, konnte es so schlimm stehen, dass jemand ihr hatte schaden wollen?
Nicht in den Augen ihrer Mama. Nicht, wenn es um ihre geliebte Tochter ging, denn auch zu ihren schlimmsten Zeiten war sie nur so schlimm gewesen, wie Backfische das eben sein können - das wusste sie von ihren Freundinnen mit gleichaltrigen Töchtern -, aber bei Linda war das doch nur selten vorgekommen. Negative Seiten? Linda konnte sehr stur sein. Außerdem ein wenig naiv. Ein wenig zu ehrlich, sie dachte zu gut über viele Menschen, die das eigentlich nicht verdienten.
In seinen zwanzig Jahren als Mordermittler hatte Rogersson hunderte von Vernehmungen mit Angehörigen von Mordopfern durchgeführt. Deshalb war es kein Zufall, dass Lindas Mutter selbst der letzte Punkt auf seiner Fragenliste war, und es war auch kein Zufall, dass sie genauso reagierte wie alle anderen vor ihr. Warum wollte er über sie sprechen? Sie hatte doch mit dem Mord an Linda nichts zu tun. Sie war doch selbst ein Opfer. Jemand hatte ihr die einzige Tochter genommen, und sie sollte jetzt mit der Trauer als einziger Lebensgefährtin weiterleben.
Rogersson hatte ihr die üblichen Antworten gegeben. Dass es darum gehe, Lindas Mörder zu finden. Dass er niemals auf die Idee kommen würde, Lindas Mutter könne mit dem Verbrechen etwas zu tun haben, dass es bei seinen Fragen aber eben darum gehe, möglicherweise Dinge zu entdecken, die die Mutter einer ermordeten Tochter nicht sehe, eben weil ihre Trauer sie daran hindere. Und diese Mutter hier hatte das gelassener hingenommen als die meisten anderen.
Ob sie nach der Scheidung andere Männer gehabt habe? Hatte einer von denen Interesse an ihrer Tochter gezeigt? Hatte sie Menschen kennengelernt, denen es zuzutrauen wäre, dass sie, indem sie ihrer Tochter etwas antaten, eigentlich sie selbst treffen wollten?
Natürlich hatte sie seit ihrer Scheidung andere Männer gehabt. Mehrere sogar, aber es waren immer kurze und zufällige Beziehungen gewesen, und die letzte lag jetzt schon einige Jahre zurück. Einer ihrer Kollegen, ein Kollege einer Freundin, dann noch jemand, den sie durch ihre Arbeit kennengelernt hatte, nämlich der geschiedene Vater einer früheren Schülerin. Außerdem einige kurze Begegnungen mit Männern, vor allem bei Urlauben im Ausland. In einen hatte sie sich wirklich verliebt, deshalb war sie einige Zeit in Kontakt mit ihm geblieben. Aber es war nichts dabei herausgekommen, es hatte Telefongespräche gegeben, Mails, immer seltener, schließlich nur noch Schweigen.
War bestimmt schwul, dachte Bäckström. Schwul und blind, dachte er.
Die Vorstellung, dass einer dieser Männer ihre Tochter ermordet haben könnte, existierte nicht in ihrer Welt. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie dort nichts zu suchen hatte, nicht in diesem Zusammenhang, diese Sorte von Männern hatte sie nicht kennengelernt, die meisten von ihnen waren Linda nie begegnet, und mindestens zwei hatten nicht einmal von der Existenz dieser Tochter gewusst.
»Sie muss an einen Verrückten geraten sein«, sagte Lindas Mutter. »Ich habe das wohl schon erwähnt. Linda glaubte nur Gutes von den Menschen. Sie konnte sehr naiv sein.«
»Was zum Teufel wollten wir hier eigentlich«, fragte Bäckström auf der Rückfahrt zur Wache. »Wenn du mich fragst, ist rein gar nichts dabei rausgekommen.« Und darauf kannst du jetzt erst mal rumlutschen, du pingeliger Idiot, dachte er.
»Am Saft war wohl nichts auszusetzen, wenn wir bedenken, dass es Saft war«, wandte Rogersson ein. »Zwischendurch hab ich mal gedacht, dass es etwas gibt, das sie ahnt oder sich möglicherweise zusammenreimt. Etwas, das ihr durch den Kopf ging.«
»Was sollte das denn sein, zum Teufel«, fragte Bäckström. Rogge ist nicht nur Säufer, er ist auch noch Hellseher, dachte er.
»Nicht die geringste Ahnung«, antwortete Rogersson. »Das ist vor allem so ein Gefühl. Ich habe mich auch früher schon geirrt.« Rogersson zuckte mit den Schultern. »Und im Moment herrscht in ihrem Kopf sicher das Chaos. Ich wüsste ja gern, wie viel Beruhigungsmittel sie in sie reingestopft haben.«
»Wenn du mich fragst, dann war sie total weggetreten«, sagte
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