Moerderische Idylle
Heißwecken, nachdem seine Gäste angesichts der großzügigen Kuchenplatte nur den Kopf geschüttelt hatten. »Und es ist doch auch nett, wenn ihr euch mal Bewegung verschaffen könnt«, fügte er hinzu. »Legt das Ohr an die Schienen, zählt irgendwas zusammen und kriegt zwei heraus, stellt fest, dass es stimmt, fahrt am späten Abend zu dem Verdächtigen, es hat gerade angefangen zu regnen, ihr schlagt die Mantelkragen hoch, wenn ihr aus dem Auto steigt, ihr seht ihn vor dem Fernseher sitzen, er hat keine Ahnung, er hat sich schon an den Gedanken gewöhnt, dass er ungeschoren davonkommt, und dann klingelt ihr an der Tür, ihr hört, wie er kommt und aufmacht… wir sind von der Polizei. Wir haben etwas mit Ihnen zu besprechen«, sagte Johansson und seufzte tief vor Sehnsucht nach einer verlorenen Zeit.
»Das ist ja schön und gut, Lars, aber im Grunde geht es hier gar nicht um uns«, sagte Holt und lächelte ihn freundlich an.
»Worum geht es denn sonst«, fragte Johansson abwartend.
»Eigentlich möchtest du fahren, Lars«, sagte Holt und hörte sich an, als ob sie auf ein starrköpfiges Kind einredete. »Aber da das nicht geht, musst du eben uns schicken.«
»Du bist ja eine richtige kleine Psychologin, du, Anna«, sagte Johansson und grinste. »Ich hatte wirklich nicht mit stehenden Ovationen gerechnet, aber ein bisschen diskret die Lage zu mögen, wäre doch nicht das Schlechteste.«
»Natürlich«, sagte Holt. »Die Situation mögen, nicht unnötig Chaos schaffen, Zufälle hassen. Lars Martin Johanssons drei goldene Regeln für jegliche Mordermittlung, und Lisa und ich sind unten in Växjö sozusagen schon am Werk.«
»Genau«, sagte Johansson. »Aber in diesem Fall und wenn wir bedenken, dass ihr Bäckströms Dreck wegschaffen sollt, gibt es noch eine vierte Regel, die ihr euch ebenfalls vor Augen halten solltet.«
»Ich bin ganz Ohr, Chef«, sagte Lisa Mattei und sah aus wie die Klassenbeste, die nicht einmal mehr aufzuzeigen braucht.
»Seid vorsichtig mit dem Schnaps, Mädels. Kleiner Rat eines alten Mannes, der schon eine Weile dabei ist«, sagte Johansson und schnappte sich noch ein Stück Kuchen von seiner großen Platte.
71
Stockholm, Mittwoch, 20. August - Sonntag, 24. August He und Mattei widmeten die nächsten beiden Tage ihren Vorbereitungen für die Reise nach Växjö und die Ablösung des Kollegen Bäckström. Das Praktische erledigte Holt mit Hilfe von Bäckströms Chef innerhalb einer halben Stunde. Sich in den Fall, den sie klären sollten, einzulesen, dauerte an die zwanzig Stunden, und bisher war alles genauso, wie es immer war. Das einzig Seltsame war, dass ihr Chef sich die ganze Zeit durch Abwesenheit auszeichnete. Bis Freitagnachmittag, als er dann plötzlich in ihrer Zimmertür stand.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Johansson und setzte sich. »Lasst hören. Wie seht ihr die Sache also«, fügte er hinzu und nickte zu den Papieren hinüber, die zwischen den beiden auf dem Tisch lagen.
»Was glaubst du selbst«, fragte Holt, die Johansson seit vielen Jahren kannte und schon einiges erlebt hatte.
»Wo du schon fragst, Anna«, sagte Johansson, der Holt ebenso lange kannte und noch viel mehr erlebt hatte, »finde ich, dass die ganze Geschichte ziemlich einfach und selbstverständlich aussieht. Es ist jemand, den sie gekannt hat. Vermutlich jemand, den auch ihre Mutter kennt oder dem sie zumindest irgendwann begegnet ist. Sie hat ihn freiwillig in die Wohnung gelassen, das Ganze hat einverständlich angefangen und ist dann total aus dem Ruder gelaufen, und er hat sie abgemurkst.«
»So sehen Lisa und ich das auch ungefähr«, stimmte Holt zu.
»Schön zu hören«, stellte Johansson fest. »Und wo wir schon über Växjö reden und wo das Opfer und die Mama offenbar normale, nette Menschen sind, haben wir wohl keine riesige Auswahl. Also fahrt hin und schnappt euch den Arsch. So einer darf nicht frei herumlaufen. Es kann ja wohl nicht schwer sein, ihn zu finden.«
»Warum haben die das dann nicht getan? Ihn gefunden, meine ich«, fragte Mattei und sah ihren Chef neugierig an. »Die scheinen doch inzwischen jede Menge Leute überprüft zu haben.«
»Bäckström vermutlich«, sagte Johansson und seufzte tief.
»Aber Lewin«, wandte Holt ein. »Der ist schließlich auch da. Und die anderen Kollegen. An denen ist doch nicht viel auszusetzen, soweit ich weiß.«
»Die haben wohl nicht an ihn gedacht«, sagte Johansson und seufzte abermals. »Weil er eben ein ganz
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