Moerderische Idylle
der junge Adolfsson zu. Der Junge wird es noch weit bringen, dachte Bäckström.
Dozent Robert Brundin erinnerte vor allem an einen jungen Oscar Wilde, nur hatte er, anders als die Vorlage, perfekte Zähne, die er beim Lächeln gern zeigte. Er saß bequem zurückgelehnt in seinem großen Sessel hinter seinem großen Schreibtisch in seinem großen Arbeitszimmer und strahlte vollkommene Harmonie mit sich und seiner Umgebung aus.
Verdammt, der sieht ja aus wie dieser schwule irische Dichterling, der im Knast gelandet ist, dachte Bäckström, der jedoch den Namen des Films und den Namen der Hauptperson vergessen hatte. Ist ja auch kein Wunder. Verdammter Scheißfilm und nicht mal ein paar gute Arschfickerszenen, obwohl in der Fernsehzeitung gestanden hatte, dass er von Schwulen handelte.
»Die Polizei befürchtet also, ich könnte meinen kleinen Leo auf die Straßen und Plätze der Stadt loslassen«, sagte der Dozent und zeigte seine weißen Zähne.
»Ja, das wäre ja leider nicht das erste Mal«, sagte Bäckström.
»Bei mir wohl«, erklärte Brundin. »Und wenn die Herren es wünschen, kann ich auch erklären, warum.«
»Wir sind ganz Ohr«, sagte Bäckström, während der junge Adolfsson schon sein kleines schwarzes Notizbuch und einen Kugelschreiber hervorgezogen hatte.
Leo, Leszek Baranski, neununddreißig, war ein überaus gefährlicher Mensch und zugleich das eigentliche Kronjuwel in Dozent Brundins bemerkenswerter Sammlung gefährlicher Menschen. Leo hatte ihn deshalb zu etlichen Artikeln für die gerichtspsychiatrische Fachpresse inspiriert, und er war die selbstverständliche Hauptperson in einer Vielzahl der von Brundin gehaltenen Vorlesungen gewesen.
»Ein vollständig einzigartiges Beispiel eines sexuellen Sadisten mit hochentwickelter Phantasie«, stellte ein glücklich lächelnder Brundin fest. »Wir sprechen jede Woche mehrmals darüber, er und ich, und etwas Vergleichbares ist mir noch nie untergekommen. Ganz allgemein gesehen, ist er hoch begabt, sein IQ liegt über 140, und er könnte zum Beispiel von der NASA als Astronaut angestellt werden. Aber wenn es darum geht, junge Frauen zu quälen, um sich sexuellen Genuss zu verschaffen, ist er das pure Genie. Er besitzt eine absolut grenzüberschreitende Kreativität, wenn es neue Ausdrucksformen für seinen sexuellen Sadismus zu finden gilt.«
»Und Sie haben nicht vor, ihn laufen zu lassen«, sagte Bäckström. Scheint ja ein Klassetyp zu sein, dachte er, ohne recht zu wissen, ob er dabei an Leo oder an seinen Arzt dachte.
Brundin hatte nicht vor, Leo laufen zu lassen. Er hatte mit diesem Gedanken niemals auch nur gespielt. Sein Chef dagegen, ein älterer Kollege, der zwar - natürlich - »ein sympathischer Mensch ist, aber leider durch und durch angenagt vom Pflegeliberalismus seiner Generation, dazu allgemein lethargisch in seiner Veranlagung, mit zeitweise deutlich refraktären Persönlichkeitszügen«, hatte allerlei Maßnahmen vorgeschlagen, die auf längere Sicht und seiner Ansicht nach Leos Wiederanpassung an ein Leben außerhalb des Aquariums, in dem er derzeit verwahrt wurde, erleichtern sollten.
»Was denn zum Beispiel«, fragte Bäckström. Warum kochen die nicht einfach Leim aus dem Arsch, dachte er.
»Freiwillige Kastration«, sagte Brundin mit breitem Lächeln. »Mein Chef meint, wenn Baranski sich freiwillig kastrieren lässt, könnte man ihm vielleicht mit der Zeit irgendwann unter Bewachung ab und zu einmal ein wenig Urlaub geben.«
»Kastration«, fragte Bäckström. »Macht ihr das immer noch?« Oh Scheiße, dachte er und schlug unwillkürlich in seinem Sessel das linke Bein über das rechte.
»Natürlich nur freiwillig. Freiwillig«, sagte Brundin, ließ sich zurücksinken und formte aus seinen langen sensiblen Fingern ein hohes Gewölbe.
»Und was hat er dazu gesagt«, fragte Bäckström. Es muss ja wohl Grenzen geben, dachte er. Es muss doch reichen, wenn die aus dem Arsch Leim kochen.
»Er war nicht sonderlich begeistert von dem Vorschlag«, sagte Brundin. »Das würde doch seinen überaus bedeutsamen Geschlechtstrieb zum Erlöschen bringen, normalerweise onaniert er zwischen fünf- und zehnmal am Tag. Außerdem nehmen die Patienten hier meistens stark zu, vor allem die auf unserer Station. UnddahaternatürlichAngst, seinen Geschlechtstrieb und sein Aussehen zu verlieren, auf das er übrigens überaus stolz ist. Ich selbst war auch ein starker, um nicht zu sagen kategorischer Gegner dieses Vorschlags«,
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