Mörderische Kaiser Route
als Karl der Große von Düren aus zu seinem Sachsenfeldzug aufbrach, der bekanntlich, wie du inzwischen gelernt haben solltest, mit der Errichtung der ersten Pfalz vor zwölfhundert Jahren in Paderborn endete.“
Dieter zuckte mit den Schultern und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, die Desinteresse ausdrücken sollte. ,Na und’, schien er mir damit sagen zu wollen.
„Später wurde Düren zu einem wichtigen Marktort in der Region, als Eingangstor zur Eifel, wo die Rur in die Ebene floss“, fuhr ich unbeeindruckt fort, „gegen 1500 gelang den Dürenern dann der ganz große Coup, mit dem sie es sich mit den Karolingern endgültig verscherzten. Vermutlich“, so spöttelte ich genüsslich, „rührt daher auch die gegenseitige Abneigung.“
Die Dürener hatten nämlich die Pfalzkapelle, die dem karolingischen Hausheiligen, dem Heiligen Martin, geweiht war, kurzerhand der Heiligen Anna gewidmet. Ein Steinmetz soll die Reliquie, das Haupt der Mutter von Maria, der Heiligen Anna, aus der Stephanuskirche in Mainz gestohlen haben. Mit Zustimmung des Papstes durften die Dürener die Reliquie behalten.
„Und dann haben die Dürener auch noch die Unverfrorenheit besessen, die Annakirmes ins Leben zu rufen“, hänselte ich meinen Freund. „Damit haben sie es sich bei den Aachenern restlos und für alle Zeiten verdorben. Du weißt, warum?“
Dieter winkte verächtlich ab und wäre dabei auf dem unbefestigten Waldweg fast vom Rad gefallen. Natürlich wusste er es. Die Annakirmes stellte den Öcher Bend ganz gehörig in den Schatten, galt als das mit Abstand größte Volksfest in der Region zwischen Köln und Maastricht. Inzwischen mussten die Kirmesveranstalter in Aachen sogar noch aufpassen, dass ihre Kirmes in der Rangliste nicht noch auf den dritten Platz abrutschte. Der Lambertusmarkt in Erkelenz wuchs von Jahr zu Jahr und hatte, so behaupteten die Kenner, eine größere Lauflänge als der Bend.
„Da bleibt für euch Öcher bald wirklich nur noch ein mickriges Schützenfest auf dem Bendplatz“, witzelte ich.
Dieter folgte mir ohne Aufmerksamkeit und war froh, als ich schließlich an Schloss Burgau anhielt und abstieg. „Hier trinken wir einen Kaffee“, bestimmte ich, während ich das Fahrrad verschloss, „dann machen wir uns auf die letzten vierzig Kilometer.“
Dieter trottete gehorsam hinter mir her in das Burgcafe und stutzte erst, als ich zwei Männer begrüßte, die an einem Tisch saßen.
„Darf ich vorstellen?“, fragte ich der Form halber.
Ich deutete auf einen blondhaarigen Mann in unserem Alter, der leger und zugleich elegant gekleidet war und uns aus hellen, blauen Augen kritisch musterte.
„Das ist Helmut Bahn, Redakteur bei einer Dürener Tageszeitung.“
Ihn hatte ich wohl am Morgen mit meinem frühen Telefonanruf aus den Armen seiner Frau gerissen, dachte ich mir. Ich reichte ihm die Hand und Dieter folgte mir.
„Und das ist Kommissar Küpper.“
Ich grinste einen Mann Mitte fünfzig an, dessen Blick dem eines Bernhardiners ähnelte. Ich bemerkte das Zucken in Dieters Augen, anscheinend dämmerte es ihm. Der Bernhardiner, das war doch der Kriminalbeamte gewesen, der ihm in seinem ersten Strafprozess vor rund zehn Jahren das Leben so schwer gemacht hatte. Mein Freund erinnerte sich nur schwach. Aber noch war er sich nicht sicher.
„Sind Sie’s? Oder sind Sie’s nicht?“, fragte er den athletischen Senior zweifelnd.
„Ich bin’s tatsächlich, Herr Doktor Schulz.“ Küpper forderte uns auf, uns mit an den Tisch zu setzen und winkte eine Bedienung herbei.
„Ist das Zufall?“, flüsterte mir Dieter unsicher zu. „Nein“, bekannte ich freimütig, „ich habe heute Morgen mit Bahn das Treffen vereinbart.“
„Und mich dabei aus dem Bett geklingelt“, knurrte der Journalist. „Dabei hatte ich eine verdammt kurze Nacht hinter mir.“
„Nicht nur Sie, Herr Bahn“, fügte der Kommissar hinzu. „Aber Sie mussten ja unbedingt Ihre Nase in unsere Angelegenheit stecken, statt zu schlafen.“
Bereitwillig klärte er Dieter und mich, die ihn fragend anstaunten, auf.
„Wir hatten gestern einen ungewöhnlichen Todesfall. In einer Staustufe der Rur zwischen Lendersdorf und Düren ist ein Mann ertrunken.“ Der Bernhardiner sah mich an. „Sie kennen die Staustufen? Wenn Sie da in den Strudel des überlaufenden Wassers hineingeraten, kommen Sie nicht mehr los. Das Wasser zieht Sie immer wieder zur Stufe zurück. Wenn Ihre Kraft nachlässt, ist es vorbei. Dann saufen Sie
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