Mörderische Kaiser Route
wir noch im Hellen Aachen erreichen wollten, mussten wir uns beeilen.
Über Rölsdorf und Gürzenich kehrten Dieter und ich zur ausgeschilderten Kaiser-Route zurück, die uns nach Langerwehe und durch das Wehebachtal nach Schevenhütte führte. Bei Vicht und an Breinig vorbei wurde es in Richtung Kornelimünster noch einmal mühevoll. Mein Vorschlag, in Kornelimünster, der idyllischen Zugabe der Karolinger zur Aachener Zentrale, die letzte Übernachtung einzulegen, quittierte mein Freund nur mit einem müden Lächeln.
„Die letzten acht Kilometer bis zum Dom wirst du leere Flasche wohl auch noch schaffen“, schimpfte er tief durchatmend, als wir durch die Feldmark weiter nach Burtscheid strampelten.
Das gefährlichste Stück unserer heutigen Etappe, die Fahrt durch die Innenstadt, verlangte noch einmal unsere höchste
Aufmerksamkeit, ehe wir endlich auf dem Markt vor dem Rathaus anlangten und uns ausgelaugt, aber zufrieden, standesgemäß vor dem Ratskeller niederließen.
Es war geschafft. Wir hatten die Kaiser-Route per Fahrrad hinter uns gebracht und einen Sack merkwürdiger Begebenheiten mitgebracht. Doch verspürte Dieter in diesem Moment des Erfolgs keine Lust, mit mir darüber zu diskutieren.
Der faule Hund griff lieber zum Handy und rief seine Liebste an. Sie möge ihn mit dem Wagen am Markt abholen und nicht den Fahrradständer vergessen, bat er Do. Selbstverständlich, so fügte er lästernd hinzu, dürfe auch Sabine mitkommen. Ich bedürfe dringend der Pflege, da ich völlig erschöpft sei.
Als ich protestieren wollte, grinste mein Chef frech.
„Wenn du noch so fit bist, kannst du ja morgen in die Kanzlei kommen.“
Diese überflüssige Bemerkung sollte wohl die Retourkutsche für meine abfälligen Kommentare über die Aachener sein, dachte ich mir und ließ mir schnell noch einen weiteren einfallen.
„Weißt du eigentlich, warum Karl der Große ausgerechnet Aachen zum Zentrum seines Kaiserreichs gemacht hat?“
Wie ich es mir denken konnte, wusste Dieter es natürlich nicht. Ihn interessierte offenbar nur das Geldverdienen, aber nicht der historische Boden, auf dem er das viele Geld verdiente. „Weil er Rheuma hatte“, gab ich zur Antwort, „und weil hier zufällig jemand auf eine heiße Quelle gestoßen war. Da hat der große Kaiser regelmäßig seine Wehwehchen saniert. Stell dir vor, die Quellen wären in Düren gesprudelt. Dann würde heute niemand Aachen kennen und Düren wäre das karolingische Maß aller Dinge.“
Dieter hörte mir nur gelangweilt zu, er war noch zu bequem, mich darauf hinzuweisen, dass schon zu Römerzeiten die heißen Quellen von Aquae Grani begehrt waren und beobachtete lieber den Verkehr auf der Straße.
Erleichtert sprang er auf, als endlich sein Daimler angefahren kam. Auch ich freute mich, als Sabine ausstieg und mich mit ihrem strahlenden Lächeln umarmte. Schnell gingen wir in meine Wohnung am Templergraben. Es war schön, nicht mehr neben Dieter einschlafen zu müssen.
Karl der Große
Tatsächlich machte ich mich weisungsgemäß am nächsten Morgen gemeinsam mit Sabine auf den Weg zur Arbeit und wurde von unserem Kanzleidrachen Fräulein Schmitz mit der ernüchternden Nachricht überrascht, dass sich unser aller Chef entschuldige. Er würde nach der strapaziösen Tour noch einen Urlaubstag im Kreise der Familie einlegen.
,Hauptsache, sein Fußvolk schafft die Kohlen heran’, brummte ich missmutig. ,Chef müsste man sein, dann konnte man freimachen, wie man wollte.’
Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als ich die Post und den Aktenberg sah, der sich auf meinem Schreibtisch auftürmte. Anscheinend hatte niemand in der Kanzlei während meine Abwesenheit gearbeitet, nörgelte ich, als mir Sabine den Kaffee und die Tageszeitung brachte.
„Du als unser Sklaventreiber warst ja auch nicht an Bord“, kommentierte sie lachend und küsste mich auf die Stirn. Aber jetzt ginge wieder alles seinen geregelten Gang, behauptete sie und setzte sich auf meinen Schoß.
Das Telefon unterband energisch unsere Umarmung.
„Ich habe ja gesagt, es geht jetzt alles wieder seinen normalen Gang“, schmunzelte Sabine, als sie aufstand und mir den Hörer reichte.
Böhnke hatte uns gestört. Er wolle nur wissen, ob es außer ihm auch noch andere Frühaufsteher in dieser schönen Sommerzeit gäbe, meinte er freundlich zur Begrüßung, ehe er ernst wurde.
„Sie halten wohl alle Ermittlungsbehörden in NordrheinWestfalen auf Trab, Herr Grundler“, sagte er.
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