Mörderische Kaiser Route
Kenntnis. Nervös schob uns der Unternehmer durch das riesige Haus, in dem er offenbar allein war, in sein Arbeitszimmer, wo er an einem Besuchertisch bereits Tassen und eine Kaffeekanne bereithielt.
Mit zusammengekniffenen Lippen bot er uns zunächst einen Platz an, um dann Dieter und mir zwei Kopien zu überreichen.
„Lesen Sie und sagen Sie mir, was ich tun kann“, forderte er uns auf.
Die erste Kopie war die eines offiziellen Schreibens, das ein Rechtsanwalt aus Aachen namens Stippach verfasst hatte. Allein schon der Name des angeblichen Kollegen veranlasste Dieter und mich zu einem abfälligen Stirnrunzeln. Dem Mann würde ich nicht einmal die Hand zum Gruße reichen, weil ich befürchten musste, dass ich anschließend nicht mehr alle fünf Finger daran besaß.
Der schmierige Winkeladvokat hatte in Juristenkreisen nicht gerade den besten Ruf und musste sich bereits mehrfach wegen seines ungebührlichen Verhaltens vor der Anwaltskammer, aber auch schon vor dem Staatsanwalt verantworten. Aber bislang waren alle Vermutungen und Verdächtigungen wegen Unterschlagung, Veruntreuung oder Betrug letztendlich nicht beweisbar gewesen. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis der dubiosen Gestalt endlich einmal das unlautere Handwerk gelegt würde. Darauf wäre ich jede Wette eingegangen.
In dem Brief an Schlingenhagen kündigte Stippach sein Mandat für Karl Schlingenhagen an, in dessen Auftrag er die vorzeitige Auszahlung des dem Sohn zustehenden Erbteils anforderte.
Nach dem Ableben des Bruders Franz sei Karl Haupterbe des Vermögens von Schlingenhagen; er würde allerdings auf alle anderen Erbansprüche verzichten, wenn ihm Schlingenhagen fünf Millionen DM überweise. Mit dem Hinweis, die berechtigte Forderung gegebenenfalls einzuklagen, und der Empfehlung an Schlingenhagen, die Angelegenheit im eigenen Interesse ohne Aufsehen und ohne Rechtsstreit zu erledigen, endete das Anwaltsschreiben.
Die in der Anlage beigefügte Verpflichtungserklärung hatte Schlingenhagen ebenfalls kopiert. Darin würde der Unternehmer durch seine Unterschrift bestätigen, an seinen
Sohn Karl Schlingenhagen den als Erbteil geforderten Betrag von fünf Millionen DM bis Ende des Monats auf ein bei einer belgischen Bank angegebenes Konto zu überweisen. Mit diesem Betrag sei der Erbanspruch für alle Zeiten abgegolten.
Dieter sah mich erstaunt an. ,Was ist zu tun?’, fragte mich sein Blick.
Ich sah nachdenklich durch das große Fenster hinaus in den dichten Garten. Das Grün beruhigte ungemein.
„Was meint Ihr Sohn mit der Bemerkung, es sei in Ihrem Interesse, den Anspruch anzuerkennen?“ Mehr aus Verlegenheit als aus Verständnis für die Situation stellte ich die Frage. „Das hört sich ein bisschen so an, als habe er etwas gegen Sie in der Hand.“
Für einen Moment schoss Schlingenhagen die Zornesröte ins Gesicht. Anscheinend hatte ich mit meiner Vermutung nicht völlig danebengelegen. Der Senior schüttelte heftig den Kopf.
„Das tut nichts zur Sache“, sagte er entschlossen.
„Alles tut etwas zur Sache“, widersprach Dieter streng. „Vielleicht will Ihr Sohn Sie nötigen oder sogar erpressen. Dann wäre die Erbschaftsforderung unzulässig. Also, gibt es etwas?“ Er betrachtete den Unternehmer. „Ich muss es wissen.“
Schlingenhagen blieb lange stumm und stierte in die halb volle Kaffeetasse vor sich. Das bedächtige Rühren in der schwarzen Brühe wirkte nicht gerade entspannend.
,Mann, komm endlich zur Sache!’, dachte ich mir.
„Wir brauchen alle Informationen über Ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn, Herr Doktor Schlingenhagen“, sagte ich langsam und mit Engelszunge. „Oder wollen Sie etwa zahlen? Dann brauchen wir uns nicht weiter zu unterhalten.“
Es hatte den Anschein, als hätte mir Schlingenhagen nicht einmal zugehört. Er rührte weiter gedankenversunken in seiner Kaffeetasse.
„Selbstverständlich will ich nicht zahlen“, sagte der Fabrikant endlich. Er stand mühsam auf und schlurfte zu seinem Schreibtisch. „Diesen Brief habe ich am gleichen Tag mit der Post bekommen“, sagte er, nachdem er mit einem Papier zu uns zurückgekehrt war.
Er gab Dieter den Brief, der ihn konzentriert las und dann stumm an mich weiterreichte. Der Brief war von Karl Schlingenhagen unterzeichnet. Er erklärte darin, er werde als Miteigentümer dem Verkauf des Familienunternehmens nicht zustimmen und die Verkaufsabsicht publik machen, falls der Senior nicht seinen Wünschen nachkomme.
„Du weißt, ohne mich
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