Mörderische Kaiser Route
sie in der Hand, Herr Grundler?“
Ich hielt es für ratsam, das Gespräch mit dem Kommissar schleunigst zu beenden. Ich hätte ihm Recht geben müssen, aber danach stand mir heute Morgen nicht der Sinn.
Sabine holte mich aus meinen Gedanken in die Realität zurück.
„Bist du eingeschlafen oder hast du bloß keine Lust?“, schimpfte sie mit mir, als ich endlich auf ihre telefonischen Rufzeichen reagierte.
Mir war nicht bewusst geworden, dass sie schon seit geraumer Zeit versucht hatte, mich am Telefon zu verbinden.
„Hier laufen die Leitungen heiß“, bemerkte sie barsch, „alle wollen dich sprechen. Aber der Herr geruhen zu ruhen.“ Der unsympathische Kollege Stippach, ein hektischer Journalist Bahn, ein aufgetauchter Pilot Schauf und ein besonnener Kommissar Dietrich würden schon seit einiger Zeit versuchen, sich mit mir zu unterhalten. „Ich habe ihnen gesagt, du würdest sofort zurückrufen.“
„Dann tu’s gefälligst!“, schnauzte ich meine Sekretärin an, um mich noch im gleichen Atemzug bei ihr über meinen unpassenden Tonfall zu entschuldigen.
Meine Liebste lachte bloß entwaffnend.
„Tobias, ich kenne dich lange genug, um zu wissen, warum du dich so benimmst, wie du dich benimmst.“ Es war ein wesentlicher Vorteil meiner Besten, dass sie mit ihrem großherzigen Wesen viele meiner Macken größtenteils und unbeschadet bewältigen konnte. „Wenn’s recht ist, nehme ich die chronologische Reihenfolge“, schlug sie vor. „Oder soll ich nach deiner persönlichen Sympathieskala vorgehen?“
„Bitte der Reihe nach“, brummte ich und lehnte mich in meinen Sessel zurück. Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich auf die Unterredung mit dem Kotzbrocken aus dem eigenen Berufsstand.
Ich musste mich sehr zurückhalten, als Schlingenhagens Anwalt mich mit einem scheinheiligen „Hallo, Kollege!“ begrüßte. Schnell und nassforsch kam Stippach zur Sache.
„Es geht doch klar, dass ich heute Nachmittag die Unterlagen von Schlingenhagen erhalte?“, fragte er in der Erwartung, ich würde ihm vorbehaltlos zustimmen.
„Nichts geht klar“, widersprach ich energisch. „Doktor Schulz ist über den Wunsch unseres Mandanten, zu Ihnen wechseln zu wollen, noch nicht informiert, nur er kann entscheiden.“ Erst am Abend käme ich frühestens dazu, mit ihm über dieses Anliegen zu sprechen. „Sie müssen sich noch einige Zeit gedulden“, erklärte ich.
„So nicht!“, ereiferte sich mein Widerpart lautstark. „Ich habe ein Recht auf die Dokumente. Ich bestehe darauf!“
Er könne von mir aus so lange das Rumpelstilzchen spielen, wie er wolle, entgegnete ich schroff, es würde ihm nichts nützen.
„Erfüllen Sie zuerst die noch fehlenden Voraussetzungen für die Übergabe, dann können wir vielleicht einmal darüber verhandeln.“ Für einige Augenblicke blieb es still in der Leitung.
„Da fehlt überhaupt nichts“, ertönte es schließlich pampig aus der Leitung. „Ich habe alles geregelt, jetzt sind Sie am Zuge.“
Offenbar wollte der Anwalt durch seine schnodderige Art von seiner Verunsicherung ablenken, die ich wegen der langen Pause bei ihm vermutete.
„Sie haben längst nicht alles geregelt“, hielt ich streng dagegen. Ich wusste zwar nicht, ob und was noch fehlen könnte bei der Mandatsübernahme, aber das war nicht mein Problem. Wenn es mir gelang, den Rechtsverdreher zu verunsichern, hatte ich mein Ziel erreicht. „Ich würde vorschlagen“, meinte ich in einem schleimig versöhnlichen Ton, „Sie überlegen noch einmal in Ruhe und melden sich dann wieder bei uns. Unter den vorliegenden Bedingungen können wir Ihnen jedenfalls nicht die Unterlagen von Schlingenhagen herausgeben.“ Das müsse er verstehen. „Sie würden es an unserer Stelle bestimmt auch nicht tun.“
Mit dem drohend gemeinten Hinweis, er würde unverzüglich gerichtliche Schritte einleiten, konnte er mich auch nicht verschüchtern.
„Umso besser“, frohlockte ich, „dann werden Ihre neuen Mandanten sofort erkennen, mit welch ungenau arbeitenden Juristen sie sich eingelassen haben.“ Ich würde mich freuen, von ihm zu hören und vom Gericht eine Anordnung zu erhalten. „In dieser Woche wird es bestimmt nichts mehr mit der Übergabe. Ersparen Sie deshalb Ihrer Sekretärin den überflüssigen Weg in unsere Kanzlei“, schlug ich vor und kam zum abrupten Ende des Telefonats. „Ich höre von Ihnen“, sagte ich und legte grußlos auf.
Wie ich zu der Ehre käme, von einem Journalisten interviewt
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