Moerderische Kuesse
»Besser könnte es kaum kommen, oder?«
29
»Trotzdem ist die Sache nicht ganz einfach«, sagte Swain. Um ungestört reden zu können, hatten sie sich zu dritt in einem kleinen Cafe niedergelassen, wo sie Kaffee trinkend am abgeschiedensten Tisch saßen und den Inhalt des Aktenkoffers durchgingen. Sie sprachen teils englisch, teils französisch, weil sie sich so am besten verständigen konnten. Blanc konnte sich besser auf Französisch ausdrücken, doch Swain konnte ihn verstehen
und
umgekehrt.
Lily
wechselte scheinbar
problemlos zwischen den Sprachen hin und her, je nachdem, mit wem sie gerade redete. »Ich brauche mindestens eine Woche, um meine Einkaufsliste abzuarbeiten«, fuhr er fort.
Zu Swains Verdruss sah Blanc sogleich Lily an und wartete auf eine Bestätigung. Sie zuckte die Achseln und sagte nur:
»Ich verstehe nichts von Sprengstoffen und Sprengsätzen.
Swain ist der Experte.«
Er hatte ihr nicht erzählt, dass er dafür Experte war, aber er wusste ihr Vertrauensvotum zu schätzen. Zufällig kannte er sich tatsächlich ganz gut mit allem aus, was in die Luft fliegen konnte.
»Die Geschichte, die Sie Damone aufgetischt haben, könnte tragen«, erklärte er, »aber nur, wenn wir sie untermauern. Sie haben selbst gesagt, dass Damone nicht auf den Kopf gefallen ist –«
»Nein«, murmelte Blanc, »ganz im Gegenteil.«
»– und wir können darauf wetten, dass Rodrigo neugierig genug sein wird, um unsere Referenzen zu überprüfen.«
»Mindestens«, bekräftigte Lily trocken. »Wenn er Zeit genug hat, lässt er uns komplett ausforschen.«
»Wir werden also dafür sorgen müssen, dass er nicht genug Zeit hat. Wir müssen die Sprengsätze gleich bei unserem ersten Besuch im Labor anbringen, weil wir nicht wissen, ob wir eine zweite Gelegenheit bekommen werden. Vertraut Ihnen Damone so weit, dass er uns ins Labor lässt, bevor Rodrigo Gelegenheit hatte, uns zu überprüfen?«
»O ja«, antwortete Blanc wie aus der Pistole geschossen. »Ich werde ihm versichern, dass ich selbst Nachforschungen angestellt habe.«
Swain wollte schon nachfragen, ob Damone nicht wusste, dass Interpol keine eigenen Nachforschungen betrieb, schluckte die Frage aber im letzten Moment hinunter, weil ihm gerade noch rechtzeitig einfiel, dass er Lily unmöglich erklären konnte, woher er wusste, dass Blanc bei Interpol arbeitete.
Blanc war nicht der Einzige, der bei dieser Unterhaltung jedes Wort auf die Goldwaage legen musste.
»Wir brauchen zur Tarnung einen Lastwagen oder Lieferwagen, Visitenkarten, Briefpapier, Overalls – alles, was ein Unternehmen ausmacht. In dem Lieferwagen können wir all das verstauen, was wir brauchen; immerhin vermitteln mir diese Grundrisse eine Vorstellung davon, wie groß die Anlage insgesamt ist. Sie wissen nicht zufällig, in welchem Gebäude das Labor untergebracht ist?«
Blanc schüttelte den Kopf. »Ich weiß auch nicht, ob alle wichtigen Räume in einem einzigen Trakt liegen. Die schriftlichen Unterlagen könnten auch in verschiedenen Gebäuden gelagert werden, was allerdings nicht gerade für eine fähige Archivleitung spräche, nicht wahr?«
»Oder für eine besonders umsichtige, falls es sich um Kopien handelt, weil man in diesem Fall immer noch Unterlagen behält, selbst wenn ein Aktensatz vernichtet wird.
Das werden wir erst dort herausfinden können. Kann Damone veranlassen, dass wir von Dr. Giordano persönlich herumgeführt werden? Da es hier um den Schutz seines Lebenswerkes
geht,
würde
er
uns
bestimmt
alle
Sicherheitsvorkehrungen zeigen, damit wir genau feststellen können, ob alles ausreichend geschützt ist«, sagte Lily Sie arbeiteten mit vielen Unwägbarkeiten, aber Swain hatte nicht vergessen, dass sich Lily erstaunlich gut in andere Menschen einfühlen konnte. Auch darum war er, bis auf einen Punkt, ganz er selbst, wenn er mit ihr zusammen war. Er wollte nicht, dass sie sein falsches Spiel durchschaute. Lily hatte Dr.
Giordano kennen gelernt und ein Gespür für den Mann entwickelt. Er war stolz auf seine Arbeit, behauptete sie; in beruflicher Hinsicht war er ein Genie. Und, ja, womöglich würde er ihnen tatsächlich sämtliche Schutzvorkehrungen für seine Forschungen vorführen. Einmal war sein Werk schon zerstört worden; das würde er keinesfalls noch einmal erleben wollen.
Blanc wirkte besorgt. »Werden Sie die Sprengsätze tagsüber zünden, wenn in den Gebäuden gearbeitet wird, oder werden Sie bis zur Nacht warten, wenn die Labors leer
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