Moerderische Kuesse
sich, als hätte er in eine Steckdose gefasst; alle Härchen an seinem Körper richteten sich auf, und eisige Schauer überliefen seinen Rücken.
Sie war nach Paris zurückgekommen. Sie war hier, ganz in seiner Nähe. Es war ein tollkühner Schachzug, und hätte ihn M.
Blanc nicht gewarnt, dann hätte sie ihn völlig unvorbereitet überrascht. Sein Leib und Leben waren so gut geschützt wie nur menschenmöglich, aber was war mit seinen Unternehmen, die über ganz Europa verteilt waren? Und was war vor allem mit jenen Firmen, die ihren Sitz hier in Paris hatten? Natürlich hatte er überall hervorragende Sicherheitssysteme installieren lassen,
aber
bei
dieser
Frau
waren
besondere
Schutzmaßnahmen angebracht.
Wo würde sie am ehesten zuschlagen? Die Antwort lag auf der Hand: in Vincenzos Labor. Er wusste es; sein Instinkt meldete sich viel zu deutlich, als dass er ihn ignorieren konnte.
Dort hatten auch ihre Freunde zugeschlagen, dort hatten sie ihr Leben verspielt. Sie würde es als poetische Gerechtigkeit betrachten, wenn sie den Job ihrer Freunde zu Ende führte, indem sie, zum Beispiel, eine Reihe von Sprengladungen anbrachte, die den Laborkomplex in Schutt und Asche legten.
Die anvisierten Profite aus dem Grippeserum nicht einzustreichen, das würde ihn zwar nicht an den Rand des Ruins bringen, aber er konnte dennoch eine Kapitalspritze gebrauchen. Geld regierte die Welt, Geld thronte über allen Königen
und
Ölprinzen,
allen
Präsidenten
und
Premierministern, die sich in ihrer Macht ständig zu übertrumpfen versuchten. Aber noch schlimmer als der entgangene Profit würde ihn die Schmach, der Gesichtsverlust treffen. Noch ein Vorfall in seinem Labor, und die WHO würde die Sicherheit seiner Forschungseinrichtungen infrage stellen; bestenfalls
würde
man
ihm
alle
Gelder
streichen,
schlimmstenfalls würde man auf Inspektionen vor Ort bestehen. Er wollte keine Fremden in seinen Laboratorien haben. Wahrscheinlich würde Vincenzo verbergen oder tarnen können, woran er wirklich forschte, aber jede weitere Verzögerung konnte das endgültige Aus für ihre Pläne bedeuten.
Sie durfte auf keinen Fall gewinnen. Abgesehen von allem anderen würde sich herumsprechen, dass Rodrigo Nervi zum Narren gehalten worden war – und noch dazu von einer Frau.
Eine Zeit lang würde er diese Schmach vielleicht verschweigen können, aber irgendwann würde irgendjemand plaudern.
Irgendeiner plauderte immer.
Die Sache hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt passieren können. Erst vor einer Woche hatte er seinen Vater beerdigt. Er wusste zwar genau, was jetzt zu tun war, aber ihm war trotzdem bewusst, dass einige noch stille Zweifel hegten, ob er wirklich in Salvatores Fußstapfen treten konnte. Und früher hatte er selbst Salvatore einen Großteil des Alltagsgeschäfts abgenommen; Rodrigo hingegen hatte noch niemanden, der ihm zuarbeitete.
So war er zurzeit damit beschäftigt, eine Ladung waffenfähiges Plutonium nach Syrien zu verschiffen. Gleich mehrere Länder mussten mit neuen Opiaten versorgt werden, ganz abgesehen davon, dass er auch einen legalen, breit gefächerten Konzern zu leiten hatte. Eine Konferenz jagte die andere.
Dennoch würde er sich die Zeit nehmen, Liliane Mansfield zu fangen, selbst wenn er dafür alle anderen Termine streichen musste. Bis morgen früh würde jeder seiner Angestellten in Frankreich ein Foto von ihr haben. Irgendwer würde sie erkennen, wenn sie nur über die Straße gehen wollte.
Die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Labor waren nicht anders als bei fast allen Laboratorien, wenigstens soweit das von außen zu erkennen war. Die Anlage war umgeben von einem hohen Zaun mit zwei Toren – einem auf der Vorder-und einem auf der Rückseite, die von jeweils zwei Pförtnern bewacht wurden – und setzte sich aus mehreren meist fensterlosen, miteinander verbundenen Gebäuden zusammen.
Es waren reine Industriebauten aus rotem Backstein. Auf dem Parkplatz links davon standen etwa fünfzig Fahrzeuge.
All das registrierte Swain bei einer einzigen Kontrollfahrt.
Der Jaguar stach ziemlich ins Auge, darum konnte er nicht gleich wieder vorbeifahren, ohne dass es einem der Pförtner aufgefallen wäre. Stattdessen wartete er bis zum nächsten Tag, ehe er wieder vorbeifuhr, und nutzte bis dahin alle seine Quellen, um herauszufinden, wie Lily wohl am ehesten hineingelangen würde. Was das Außengelände betraf, beschränkten sich die Sicherheitsvorkehrungen im Groben auf das, was
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