Moerderische Kuesse
Mansfield«, eröffnete er Vincenzo. »Denise Morel, meine ich. Sie ist Profikiller und war eng mit den Joubrans befreundet.«
Vincenzos Augen wurden groß. »Und sie hat das Gift selbst genommen? Obwohl sie wusste, wie es wirkt? Brillant! Töricht, aber brillant!«
Rodrigo konnte Vincenzos Bewunderung für die Tat dieser Liliane Mansfield nicht nachempfinden. Sein Vater war einen sehr schmerzhaften, schweren Tod gestorben, aller Würde und jeder Selbstbestimmung beraubt, und das würde Rodrigo ihr nie verzeihen.
So. Sie hatte also ihr Ziel erreicht und war außer Landes geflohen. Vielleicht war sie ihm damit entwischt, aber das galt nicht für ihre Landsleute. Solange Blanc an der Sache dran war, würde Rodrigo über die Suche nach ihr auf dem Laufenden bleiben, und sobald die Kleine aufgespürt war, würde er zur Tat schreiten. Mit dem größten Vergnügen.
11
Als Rodrigo das Fax endlich in Händen hielt, starrte er lange auf das Bild jener Frau, die seinen Vater auf dem Gewissen hatte. Da sein Faxgerät einen Farbdrucker hatte, erkannte er auf den ersten Blick, wie clever und raffiniert sie sich verkleidet hatte. Auf dem Foto waren ihre Haare weizenblond und glatt, ihre Augen stechend blassblau. Mit dem energischen, schmalen Gesicht und den hohen Wangenknochen sah sie ausgesprochen nordisch aus. Verblüffend, wie weich ihr Gesicht durch die dunkle Haartönung und die braunen Kontaktlinsen gewirkt hatte; ihre Gesichtszüge waren die gleichen geblieben, aber die Wirkung hatte sich vollkommen verändert. Er hatte das Gefühl, sie hätte ins Zimmer kommen und sich neben ihn setzen können, ohne dass er sie wiedererkannt hätte.
Bis jetzt hatte er nicht nachvollziehen können, was sein Vater in ihr gesehen hatte. Als Brünette hatte sie Rodrigo kalt gelassen; als Blondine wirkte sie ganz anders auf ihn. Und das war nicht nur die typisch italienische Reaktion auf blonde Haare. Es war, als würde er sie erst jetzt wirklich sehen, als könnte er erst jetzt den Intellekt und die Willenskraft spüren, die diese hellen blauen Augen ausstrahlten. Vielleicht hatte Salvatore einen schärferen Blick gehabt als er selbst, denn für seinen Vater war innere Stärke wichtiger gewesen als jeder andere Charakterzug. Und diese Frau besaß Stärke. Es war fast unvermeidlich, dass Salvatore sich in sie verliebte, nachdem sie erst einmal seinen Weg gekreuzt hatte.
Rodrigo blätterte in den anderen Papieren, die Blanc ihm gefaxt hatte. Er wollte wissen, was für Einsätze diese Mansfield für die CIA erledigt hatte; sie war ein Auftragskiller. Punktum!
Es schockierte ihn nicht, dass eine demokratische Regierung Leute wie sie beauftragte; es hätte ihn viel mehr überrascht, wenn sie es nicht getan hätte. Vielleicht würden ihm diese Informationen einmal von Nutzen sein, wenn er einen Gefallen von der amerikanischen Regierung einfordern musste, aber im Moment halfen sie ihm nicht weiter.
Ihre Familie interessierte ihn da schon wesentlich mehr: eine Mutter und eine Schwester. Die Mutter, Elizabeth Mansfield, lebte in Chicago; die jüngere Schwester Diandra wohnte mit ihrem Mann und zwei Kindern in Toledo, Ohio. Falls er Liliane nicht aufspüren konnte, würde er immerhin ihre Angehörigen unter Druck setzen können, um sie aus ihrem Versteck zu jagen.
Dann las er, dass sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie hatte. Demnach war es durchaus möglich, dass ihr das Wohlergehen ihrer Angehörigen egal war.
Auf der letzten Seite wurde ihm noch einmal bestätigt, dass sein Vater, genau wie Blanc erzählt hatte, nicht im Auftrag der Amerikaner ermordet worden war. Sie hatte sich auf eigene Faust für den Tod ihrer Freunde rächen wollen. Die CIA hatte inzwischen einen Agenten losgeschickt, um das Problem aus der Welt zu schaffen.
Aus der Welt zu schaffen. Eine treffende Wortwahl, trotzdem wollte er diesen Part lieber selbst erledigen. Falls es irgendwie möglich war, wollte er sich diesen Triumph gönnen.
Andernfalls würde er sich auch gern damit abfinden, dass die Amerikaner die Situation bereinigten.
Als er den letzten Absatz las, schoss er fast aus seinem Stuhl hoch. Die Zielperson hatte London unter einem zweiten Decknamen verlassen und dann offensichtlich noch einmal die Identität gewechselt, um anschließend nach Frankreich zurückzukehren. Die Suche konzentrierte sich seither auf die Pariser Region. Der eingesetzte Agent glaubte, dass sie einen zweiten Schlag gegen die Nervis vorbereitete.
Rodrigo fühlte
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