Moerderische Kuesse
er nicht erschossen worden, was auch reines Glück war. Das mit dem Jaguar war wirklich jammerschade.
Vinay würde behaupten, sein Hitzkopf sei wieder mal mit ihm durchgegangen, und damit hätte er gar nicht Unrecht. Er brauchte ab und zu ein bisschen Aufregung. Vinay würde ihn auch fragen, was, zum Teufel, er sich dachte, derartige Spielchen anzufangen, statt den Job zu erledigen, der ihm aufgetragen worden war, aber er war nicht nur ein Glückspilz, sondern auch notorisch neugierig. Er wollte wissen, was Lily vorhatte
und
was
in
diesem
Labor
Interessantes
zusammengebraut
wurde.
Außerdem
war
sie
ihm
zuvorgekommen.
Eigenartig, aber er hatte sich deshalb keine Sorgen gemacht.
Lily Mansfield war ein Auftragskiller, und dass sie ihre Aufträge bevorzugt von den Guten erhielt, machte sie nicht weniger gefährlich. Aber sie hatte darauf geachtet, dass der alte Herr im Park nicht verletzt wurde, und sie hatte nicht einfach drauflos gefeuert und damit möglicherweise unschuldige Passanten gefährdet – im Gegensatz zu diesen Hobbykickern, die wie Desperados um sich geballert hatten. Schon allein deswegen wäre er geneigt gewesen, ihr zu helfen, auch wenn sie nicht seine Zielperson gewesen wäre.
Am besten erzählte er Vinay vorerst gar nichts. Frank würde vielleicht nicht verstehen, wieso er Lily hatte laufen lassen, ohne dass er eine Ahnung hatte, wie er wieder Kontakt mit ihr aufnehmen sollte.
Doch er verließ sich einfach auf die menschliche Natur, wenn er darauf wettete, dass sie ihn spätestens in zwei Tagen anrufen würde. Er hatte ihr geholfen, sie zum Lachen gebracht, und er hatte sich in keiner Weise bedrohlich gezeigt.
Stattdessen hatte er ihr angeboten, ihr auch weiterhin zu helfen.
Er hatte von sich erzählt. Die verfluchte Pistole in ihrer Hand hatte sie nur deshalb nicht weggelegt, weil sie damit gerechnet hatte, dass er seine Waffe auf sie richten würde, aber er hatte ihr Misstrauen ein wenig eintrüben können, indem er nicht einmal einen Versuch dazu unternommen hatte.
Sie war so gut und so gefährlich, dass er sich ein paar zusätzliche Belüftungslöcher einhandeln konnte, wenn er zu früh
zuschlug,
und
das
würde
seinen
Ruf
als
unerschütterlicher Glückspilz doch massiv erschüttern. Und falls er sich täuschte und sie doch nicht anrief, würde er sie eben noch mal auf die langweilige Art aufspüren müssen: über Computer und logische Schlussfolgerungen.
Den Rest des Tages brachte er damit zu, jemanden aufzuspüren, der das Seitenfenster des Jaguars auswechselte, und einen neuen Wagen zu mieten. Erst wollte er sich einen ganz gewöhnlichen kleinen Renault holen, aber im letzten Moment entschied er sich doch für einen Megane Renault Sport, eine kleine, heiße Nummer mit Turbolader und Sechsganggetriebe. Es war nicht wirklich ein unauffälliger Wagen, aber Swain hatte so eine Ahnung, dass es womöglich noch einmal auf Geschwindigkeit und Wendigkeit ankommen würde, und dann wollte er keinesfalls zu wenig Pferdestärken unter der Haube haben. Die Autovermietung hatte auch einen roten Megane gehabt, der ihm sofort ins Auge gefallen war, aber er hatte sich mit dem silbernen begnügt. Es war nicht besonders schlau, das rote Tuch zu schwenken und zu rufen:
»Hier bin ich, schaut alle her!«
Gerade als das letzte Tageslicht erlosch, war er wieder im Bristol. Er hatte Hunger, aber keine Lust auf Gesellschaft, darum verkroch er sich in seinem Zimmer und rief den Zimmerservice an. Während er auf das Essen wartete, zog er Schuhe und Jacke aus und warf sich aufs Bett, wo er die Decke anstarrte – ihm waren schon oft die besten Ideen gekommen, während er die Decke anstarrte – und über Lily Mansfield nachsann.
Dank des Farbfotos in ihrem Dossier hatte er sie auf den ersten Blick erkannt. Allerdings konnte kein Foto der Welt die Energie und Eindringlichkeit wiedergeben, die sie bei jeder Bewegung ausstrahlte. Von der ersten Sekunde an war er von ihrem fast hageren, aber stark gezeichneten Gesicht mit den unglaublich hohen Wangenknochen, der stolzen Nase und, der Allmächtige stehe ihm bei, diesem Irrsinnsmund verfallen. Er brauchte nur an diesen Mund zu denken, und schon bekam er einen Ständer. Ihre Augen waren wie blaues Polareis, aber ihr Mund war zart und empfindlich und sexy und noch vieles mehr, was er zwar spüren, aber nicht in Worte fassen konnte.
Er hatte keine Witze gemacht, als er ihr erklärt hatte, er hoffe, sie würde ihn aus lauter Dankbarkeit bespringen.
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