Moerderische Kuesse
schon als kleines Kind bewundert, wie du mit Engelsmiene zu Papa aufgesehen und alles abgestritten hast, was wir gemeinsam angestellt hatten. Ich weiß genau, wann du mich anlügst. So. Ich kann eins und eins zusammenzählen. In Vincenzos Labor gibt es Probleme, und gleichzeitig wird unser Vater ermordet. Hat das eine mit dem anderen zu tun?«
Das war das Problem mit Damone, sinnierte Rodrigo; er war verflucht schlau und intuitiv dazu. Es ärgerte Rodrigo, dass er seinen jüngeren Bruder nie hatte anlügen können; jeden anderen schon, aber Damone nicht. Und seinen kleinen Bruder unter die Fittiche zu nehmen, das war vielleicht richtig gewesen, als sie noch sieben und vier Jahre alt gewesen waren, aber inzwischen waren sie beide erwachsen. Vielleicht sollte er mit dieser Gewohnheit brechen.
»Ja«, sagte er. »Sie haben miteinander zu tun.«
»Inwiefern?«
»Liliane Mansfield, die Frau, die Papa ermordet hat, war eng mit den Joubrans befreundet, dem Paar, das im August in das Labor eingebrochen war und Vincenzos Arbeit so weit zurückgeworfen hat.«
Damone rieb seine Augen, als sei er schrecklich müde, und kniff sich zum Schluss in die Nasenwurzel, ehe er die Hand wieder sinken ließ. »Es war also ein Vergeltungsschlag.«
»Der letzte Akt schon.«
»Und der erste Akt?«
Rodrigo seufzte. »Wir wissen immer noch nicht, wer die Joubrans beauftragt hat. Wer es auch war, er könnte jemand anderen anheuern, um das Labor erneut zu verwüsten. Einen weiteren Rückschlag können wir uns nicht leisten. Die Frau, die Papa ermordet hat, hat das auf eigene Rechnung getan, aber inzwischen könnte sie auch für jemand anderen arbeiten.
Meine Männer haben sie gestern im Park entdeckt; sie versuchte, das Laborgelände auszuspähen. Ob sie den Auftrag dazu hatte oder ob sie auf eigene Faust arbeitet, tut nichts zur Sache. Sie wird weiterhin versuchen, die Arbeit an unserem Impfserum zu sabotieren.«
»Weiß sie überhaupt, an was für einem Serum wir forschen?«
Rodrigo breitete die Arme aus. »Wir können nicht ausschließen, dass es irgendwo eine undichte Stelle gibt, dass irgendwer aus dem Labor geplaudert hat, und dann würde sie es wissen. Angeblich verlangen Söldner wie die Joubrans enorme Summen, darum überprüfe ich zurzeit die Finanzen aller Angestellten im Labor. Ich will feststellen, ob einer davon die nötigen Mittel hätte, sie zu beauftragen.«
»Was weißt du über diese Frau?«
»Sie ist Amerikanerin, sie ist ein Profikiller, und sie arbeitet für die CIA.«
Damone erbleichte. »Sie hat den Auftrag von den Amerikanern bekommen?«
»Nicht den Auftrag, Papa umzubringen, nein. Dazu hat niemand sie beauftragt, und wie du dir vorstellen kannst, hat man sie drüben deswegen im Visier. Man hat sogar schon jemanden losgeschickt, um ›das Problem aus der Welt zu Schaffen‹ so wurde es ausgedrückt, glaube ich.«
»Und sie versucht gleichzeitig herauszufinden, wie sie ins Labor gelangen könnte. Wie ist sie gestern davongekommen?«
»Sie hat einen Komplizen, einen Mann mit einem Jaguar. Er fuhr den Wagen zwischen sie und meine Leute, um sie abzuschirmen, während er ihr gleichzeitig Feuerschutz gab.«
»Nummernschild?«
»Nein. Der Wagen stand so, dass meine Männer es nicht erkennen konnten. Natürlich gab es Zeugen, aber die waren zu beschäftigt damit, die Köpfe einzuziehen, als dass sie sich ein Nummernschild hätten notieren können.«
»Die wichtigste Frage: Hat sie versucht, dich persönlich anzugreifen?«
»Nein.« Rodrigo blinzelte überrascht.
»Dann folgt daraus, dass ich weniger gefährdet bin als du.
Darum werde ich einstweilen hier bleiben, wo du einen Teil deiner Pflichten an mich abtreten kannst. Ich werde die Suche nach dieser Frau leiten oder dir andere Arbeiten abnehmen, wenn du das lieber persönlich erledigen möchtest. Oder wir arbeiten einfach gemeinsam an allem. Ich möchte dir helfen. Er war auch mein Vater.«
Seufzend erkannte Rodrigo, dass es ein Fehler gewesen war, seinen Bruder aus allem heraushalten zu wollen; immerhin war sein Bruder ein Nervi. Er musste sich genauso nach Rache verzehren wie Rodrigo selbst.
»Es gibt noch einen anderen Grund, weshalb ich diese Sache geklärt haben möchte«, fuhr Damone fort. »Ich trage mich mit dem Gedanken zu heiraten.«
Sekundenlang starrte ihn Rodrigo mit offenem Mund an, dann brach er in Lachen aus. »Heiraten? Wann denn? Du hast nie was von einer Frau erzählt.«
Damone lachte ebenfalls, und seine Wangen verdunkelten sich
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