Moerderische Kuesse
Gefallen schulden.«
Damit wollte er Blanc daran erinnern, dass er, so vernünftig er auch klang, immer noch ein Nervi und daher gefährlich war.
Wieder krampfte sich Blancs Magen zusammen. Aber hätte er etwas anderes sagen können, als schweren Herzens: »Ja?«
»Es handelt sich um eine vertrauliche Angelegenheit. Ich möchte, dass Sie etwas für mich tun, etwas, das Sie niemals jemandem erzählen können. Andernfalls werden es Ihre Kinder mit dem Leben bezahlen.«
In Blancs Augen brannten Tränen, die er mit einer energischen Handbewegung wegwischte. Sein Herz klopfte so heftig, dass er befürchtete, jeden Augenblick in Ohnmacht zu fallen. Er hatte nie den Fehler gemacht zu unterschätzen, zu welchen Grausamkeiten die Nervis fähig waren. »Ich habe verstanden. Was soll ich tun?«
Als sie schon fast beim Hotel waren, schlug Swain vor: »Ich bringe dich heim. Du solltest nicht mit der Metro fahren. In einem Auto, das keiner kennt, bist du viel sicherer.«
Lily zögerte, weil sie eigentlich lieber nicht verraten hätte, wo sie wohnte. »Heute Morgen bin ich auch mit der Metro gekommen«, wandte sie ein. »Außerdem geht es schneller.« Sie hatte, wie er ihr geraten hatte, die Haare unter einen Hut gestopft und eine Sonnenbrille aufgesetzt, falls Rodrigo die U‐Bahn überwachen ließ. Es gab zahllose U‐Bahnhöfe in Paris; alle zu überwachen würde viele Leute erfordern, aber natürlich würde Rodrigo die nicht selbst stellen müssen. Er war einflussreich genug, um die Dreckarbeit von anderen erledigen zu lassen.
»Ja, aber heute Morgen hat die Sonne geschienen, und jetzt ist es dunkel. Mit einer Sonnenbrille würdest du umso mehr auffallen.« Er grinste. »Außerdem will ich mir dein Bett ansehen. Ich will sicher sein, dass es breit genug für mich ist.«
Sie verdrehte die Augen. Ein einziger Kuss, und schon erwartete er, dass sie mit ihm ins Bett purzelte? Der Kuss war wirklich schön gewesen, aber sie hatte sich höchstens geschmeichelt gefühlt, ohne dass sie gleich ihr Hirn ausgeknipst hätte. »Ist es nicht«, antwortete sie. »Du brauchst es dir gar nicht anzuschauen.«
»Das kommt darauf an. Ist es zu schmal oder zu kurz? Wenn es nur schmal ist, stört mich das nicht weiter, weil wir sowieso aufeinander liegen werden. Aber wenn es zu kurz ist, dann werde ich mir überlegen müssen, ob ich weiterhin so vernarrt in dich bin, denn mit einer Frau, die ein so kurzes Bett kauft, dass ein Mann seine Beine nicht ausstrecken kann, stimmt was nicht.«
»Es ist beides.« Sie musste ein Kichern unterdrücken. Sie hatte nicht mehr gekichert, seit sie achtzehn gewesen war, aber an das Kitzeln in ihrer Kehle konnte sie sich noch gut erinnern.
»Kurz und schmal. Ich habe es aus einem Kloster.«
»Die Nonnen verkaufen ihre Betten?«
»Sie hatten einen großen Flohmarkt veranstaltet, weil sie dringend Geld brauchten.«
Er warf den Kopf zurück und lachte, ohne ihr die Abfuhr zu verübeln. Seine Kommentare und Vorschläge waren allesamt so unverschämt, dass er sie keinesfalls ernst meinen konnte, aber sie war sicher, dass er, wie die meisten Männer, sofort zu einem Stelldichein bereit war, sobald sie nachgab.
Er hatte von seinem ursprünglichen Vorschlag abgelenkt, aber sie hatte ihn nicht vergessen. Sie musste abwägen, ob es riskanter war, ihm ihre Adresse zu verraten oder die Metro zu nehmen. Manchmal würde es sich nicht vermeiden lassen, dass sie die Metro nahm, aber warum sollte sie ihr Glück öfter herausfordern als unbedingt notwendig? Wer war ihr wohl gefährlicher, Swain oder Rodrigo? Die Antwort lag auf der Hand. Bislang hatte ihr Swain treu zur Seite gestanden, obwohl er, abgesehen von akuter Langeweile und akuter Lust, keinen zwingenden Grund hatte, ihr zu helfen. »Ich wohne am Montmartre«, sagte sie. »Das liegt ganz und gar nicht auf deiner Strecke.«
Er zuckte die Achseln hoch. »Und?«
Wenn es ihm nichts ausmachte, warum sollte es sie dann stören? Der einzige Grund, sich heimfahren zu lassen, war der Sicherheitsfaktor, denn die U‐Bahn war in Paris viel praktischer und schneller, aber dieser Faktor wog so schwer, dass er den Ausschlag gab.
Sie wies ihm den Weg und lehnte sich in ihrem Sitz zurück; sollte er sich doch allein durch den Verkehr kämpfen. Er tat das mit dem üblichen Ungestüm, Beleidigungen brüllend und wild gestikulierend. Schließlich ließ er sich ein wenig zu sehr mitreißen und beschleunigte ausgerechnet dann, als vor ihnen eine Touristengruppe die Straße
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