Moerderische Kuesse
überqueren wollte. Natürlich beschleunigte auch der Wagen auf der Nebenspur, immerhin waren sie hier in Paris. Beide Autos jagten auf eine stattliche Frau mittleren Alters zu, und Lily stockte der Atem. Die Frau starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die zwei Wagen, die auf sie zugerast kamen.
»Scheiße!«, brüllte Swain. »Dämlicher Vollidiot!« Er zog das Lenkrad herum, als wollte er den Wagen neben ihnen rammen, woraufhin dessen Fahrer ebenfalls das Steuer herumriss und auf die Bremse trat. Swain schaltete einen Gang herunter und schoss in die Lücke zwischen der Passantin und dem schwänzelnden Wagen auf der Nebenspur, während die füllige Touristin ängstlich auf den Bürgersteig zurücktrippelte.
Bremsen quietschten hinter ihnen, und Lily verrenkte sich halb den Kopf, um festzustellen, welches Chaos sie angerichtet hatten. Der Wagen, der ihren Wechsel auf die linke Spur vereitelt hatte, stand quer auf der Straße, umgeben von weiteren Fahrzeugen in jedem nur erdenklichen Winkel.
Hupen blökten, und überall sprangen erboste Fahrer aus ihren Autos, schwenkten die Fäuste und gestikulierten hysterisch.
Da sie aber niemanden auf dem Boden liegen sah, hatten sich die Fußgänger offenbar alle in Sicherheit bringen können.
»Lass mich sofort aussteigen«, fuhr sie ihn wütend an. »Mit dir in einem Auto zu sitzen ist gefährlicher, als mit Rodrigo persönlich in der Metro zu fahren!«
»Ich hatte jede Menge Platz, aber dann hat dieses Arschloch neben mir beschleunigt«, verteidigte er sich betreten.
»Natürlich hat er beschleunigt!«, schnauzte sie ihn an. »Wir sind hier in Paris! Er wäre lieber tot umgefallen, als dich reinzulassen.«
Sie lehnte sich zurück und stieß wütend die Luft aus. Ein paar Sekunden später meinte sie: »Du sollst mich aussteigen lassen, habe ich gesagt.«
»Entschuldige«, bat er zerknirscht, »ab sofort fahre ich vorsichtiger. Ehrenwort.«
Nachdem er keine Anstalten machte, anzuhalten und sie aussteigen zu lassen, blieb ihr nichts anderes übrig, als neben diesem Irrsinnigen sitzen zu bleiben. Andernfalls hätte sie ihn erschießen müssen, was ihr allerdings von Minute zu Minute verlockender erschien. Die arme Frau! Wenn sie ein schwaches Herz gehabt hätte, hätte sie der Schreck ins Grab bringen können. Ausgesehen hatte sie allerdings eher robust, denn sie war sofort wieder auf die Straße getreten, wo sie den Heckleuchten nachgeschimpft und zeternd die Faust geschüttelt hatte, während sie dem Chaos entflohen waren, das Swain angerichtet hatte.
Nach fünfminütiger langsamer Fahrt in absolutem Schweigen meinte Swain unvermittelt: »Hast du ihr Gesicht gesehen?«
Lily prustete los. Es war gemein von ihr, das wusste sie, aber das Gesicht der rotwangigen, cholerischen Frau, der vor Schreck fast die Augen aus dem Kopf fielen, würde sie wohl nie vergessen. Sie versuchte, sich zu beherrschen, weil das, was er da angerichtet hatte, beileibe nicht lustig war und er nicht glauben sollte, dass er damit durchkommen würde.
»Ich kann nicht glauben, dass du darüber lachst«, sagte er tadelnd, aber seine Mundwinkel zuckten verräterisch. »Wie gefühlskalt.«
Das war es wirklich, auch wenn er sie auf den Arm nahm.
Sie schluckte, wischte ihre Augen trocken und zwang sich mit fast übermenschlicher Willenskraft zu einer würdigen Miene.
Dann machte sie den Fehler, ihn anzusehen. Als hätte er nur darauf gewartet, riss er in einer perfekten Imitation der beinahe überfahrenen Matrone die Augen auf, und Lily krümmte sich wieder vor Lachen. Sie presste sich gegen den Gurt und hielt sich den schmerzenden Bauch. Dann schlug sie ihn auf den Arm, um ihn zu bestrafen, aber weil sie so lachen musste, war der Schlag ohne jede Kraft.
Er bog unvermittelt vom Boulevard ab und fand wie durch ein Wunder eine Parklücke. Lily wurde schlagartig ernst. »Was ist los?«, fragte sie erschreckt und sah sich hastig um, während sie sich gleichzeitig zu ihrem Knöchelholster bückte.
Swain schaltete den Motor aus und fasste sie an den Schultern. »Du brauchst keine Waffe«, versprach er heiser und zog sie dabei so weit über die Handbremse, wie es ihr Gurt erlaubte. Dann küsste er sie voller Hunger, voller Lust, ihren Hinterkopf mit seiner Linken haltend, während er mit der Rechten ihre Brüste streichelte und knetete. Nach einem überraschten Aufschrei ließ sich Lily in seine Umarmung sinken. Der Schalthebel drückte gegen ihre Hüfte, ihr Knie war schmerzhaft abgeknickt, aber sie
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