Moerderische Kuesse
und ließ ihn in die Tasche zurückgleiten. Ein Maulwurf? Scheiße! Aber daran war nicht zu rütteln, denn woher hätte der Franzose seine Nummer haben sollen? Und der Anrufer war eindeutig Franzose gewesen; er hatte zwar Englisch gesprochen, aber mit französischem Akzent. Wenn auch nicht mit Pariser Akzent; den konnte Swain schon nach einem Tag deutlich heraushören.
Ein eisiger Schauer überlief ihn. Waren alle seine Anfragen direkt an Rodrigo Nervi weitergeleitet worden? Dann konnte alles, was er und Lily ausheckten, in die Katastrophe führen.
21
Swain marschierte in seinem Hotelzimmer auf und ab. Sein Gesichtsausdruck war hart und finster statt wie sonst freundlich und offen. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte. Er war auf sich allein gestellt. Jeder in Langley konnte der Maulwurf sein: Franks Assistentin; Patrick Washington, der ihm bei ihrem einzigen Telefongespräch so sympathisch erschienen
war;
einer
der
Analysten;
einer
der
Führungsoffiziere – Scheiße, sogar Garvin Reed, der stellvertretende Direktor. Nur einem Menschen vertraute Swain vollkommen, nämlich Frank Vinay, und der lag schwer verletzt im Krankenhaus und würde möglicherweise nicht überleben. Nach diesem mysteriösen Anruf konnte Swain nicht mehr ausschließen, dass Franks Autounfall kein Unfall gewesen war.
Aber wenn sich ihm dieser Gedanke aufdrängte, dann hatten ihn wahrscheinlich tausende in Langley auch gehabt.
Und wenn der Maulwurf praktischerweise auf einem Posten saß, von dem aus er jeden Verdacht von dem Unfall ablenken konnte?
Trotzdem waren Autounfälle eine knifflige Angelegenheit und ganz entschieden nicht die zuverlässigste Methode, um jemanden zu eliminieren; dazu waren schon zu viele Leute unverletzt aus einem total demolierten Auto gestiegen.
Andererseits inszenierte man, wenn man jemanden beseitigen wollte, ohne dass es allzu sehr nach Absicht aussah, vorzugsweise etwas, das nach einem Unfall aussah. Wie gut die Inszenierung war, hing von der Zuverlässigkeit der beteiligten Personen und von der Höhe des investierten Betrages ab.
Aber wie könnte man einen Autounfall inszenieren, bei dem der Direktor für Auslandseinsätze aus dem Verkehr gezogen wurde? Rein logisch gesehen war kaum vorauszuberechnen, wo sich jemand in einem bestimmten Augenblick im Verkehrsgewühl von Washington, D. C, aufhalten würde, denn überall in der Stadt konnte es zu kleinen Auffahrunfällen, Motorschäden oder Reifenpannen kommen, die den Verkehr zum Erliegen brachten oder auf andere Routen umlenkten.
Dazu kam der Faktor Mensch in Form von Verschlafen oder Kaffeepausen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie so etwas gehen sollte, wie man alles so perfekt aufeinander abstimmen könnte.
Außerdem hatte Franks Fahrer bestimmt jeden Tag eine andere Route gewählt. So was war selbstverständlich. Frank hätte darauf bestanden.
Also musste – vernünftigerweise – der Unfall genau das sein, wonach es aussah: ein Unfall.
Das Ergebnis blieb das gleiche. Ob Frank nun überlebte oder nicht, er war vorerst außer Dienst und unerreichbar. Swain war schon lange im Einsatz, aber er war tatsächlich im Einsatz gewesen und hatte bei verschiedenen Aufständen oder militärischen Gruppierungen in Südamerika mitgekämpft; dem CIA‐Hauptquartier hatte er nur Stippvisiten abgestattet.
Er kannte dort kaum jemanden, und kaum jemand kannte ihn.
Bislang hatte er es immer als Bonus betrachtet, dass er so selten in die Zentrale musste, aber jetzt waren ihm dadurch die Hände gebunden, weil er dort niemanden gut genug kannte, um ihm bedingungslos zu vertrauen.
Er würde also keine Hilfe aus Langley mehr bekommen und keine Informationen mehr abrufen können. Missmutig versuchte er abzuschätzen, was das in der augenblicklichen Situation bedeutete. So wie er es sah, hatte er zwei Optionen: Er konnte seinen offiziellen Auftrag erfüllen, Lily aus dem Verkehr ziehen und dann zu Gott beten, dass Frank den Unfall überlebte, damit sie anschließend diesen verfluchten Maulwurf aus seinem Loch schwemmen würden, oder er konnte hier abtauchen, Lily helfen, das Sicherheitssystem der Nervis zu überlisten, und von hier aus den Maulwurf zu enttarnen versuchen. So gesehen war hier zu bleiben eindeutig die attraktivere Option. Zum einen war er sowieso schon hier, zum anderen konnten die Sicherheitsvorkehrungen im Labor der Nervis noch so gut sein, sie waren ein Klacks gegen das, was in Langley aufgeboten wurde.
Und dann war da noch Lily. Sie
Weitere Kostenlose Bücher