Moerderische Kuesse
ließ sein Herz aufgehen, sie machte ihn glücklich und reizte ihn wesentlich mehr, als er erwartet hatte. Klar, er hatte sie vom ersten Moment an attraktiv gefunden, aber je länger er mit ihr zusammen war, desto attraktiver kam sie ihm vor. Er war ihr schon jetzt näher gekommen, als er je beabsichtigt hatte, doch ihm erschien das längst nicht nah genug. Er wollte alles.
Darum würde er einfach hier bleiben und sein Bestes versuchen, um den Fall von hier aus aufzurollen. Bislang hatte er Lilys Spiel, in den Laborkomplex einzusteigen, eigentlich nur aus Neugier mitgespielt – und weil er es um jeden Preis in ihr Höschen schaffen wollte –, aber von nun an würde er Ernst machen. Und er war nicht allein; er hatte Lily an seiner Seite, die etwas von der Materie verstand, und er hatte den unbekannten Anrufer. Wer immer der Mann auch war, er saß an einer Stelle, an der er alle wichtigen Entwicklungen mitbekam, und er hatte sich durch seinen Anruf bei Swain endgültig auf die Seite der Guten gestellt.
Dank des kleinen, aber feinen Handyfeatures, das alle eingehenden Anrufe auflistete, hatte Swain die Nummer des Mannes. Heutzutage konnte man praktisch keinen Schritt tun, ohne eine elektronische oder papierene Spur zu hinterlassen.
Das konnte ein Segen und ein Fluch sein, je nachdem, ob man jemanden suchte oder ob man sich verstecken musste.
Möglicherweise wusste der Anrufer sogar, wie der Maulwurf hieß, aber das hielt Swain für wenig wahrscheinlich.
Hätte er die Warnung dann so allgemein gehalten? Wenn er es für richtig hielt, Swain zu warnen, dann hätte er ihm bestimmt auch den Namen verraten, wenn er ihn nur gewusst hätte.
Aber man konnte nie wissen, ob jemand nicht über Informationen verfügte, von denen er selbst nichts ahnte, ob jemand Details und Bruchstücke kannte, die er noch nicht zu einem passenden Ganzen zusammengefügt hatte. Und das ließ sich nur durch Fragen herausfinden.
Er wollte den unbekannten Informanten nicht von seinem Handy aus zurückrufen, denn immerhin bestand die Möglichkeit, dass der Mann nicht mit ihm sprechen wollte und nicht an den Apparat gehen würde, wenn Swains Telefonnummer im Display auftauchte. Und genauso wenig wollte Swain dem Anrufer verraten, dass er im Bristol wohnte; das war einfach sicherer. Gleich nach seiner Ankunft in Frankreich hatte er eine Telefonkarte gekauft, auch wenn er angenommen hatte, dass er sie nie brauchen würde. Dennoch wollte er sie zur Hand haben, falls etwa sein Handyakku unerwartet schlappmachte. Und so ging er aus dem Hotel und am
ersten
öffentlichen
Telefon
vorbei
die
Rue
Faubourg‐Saint‐Honore hinunter bis zu einem, das ihm weit genug entfernt schien.
Er lächelte, als er die Nummer wählte, aber es war ein Lächeln ohne Humor, eher das eines Hais, der eben sein Mittagessen ins Visier genommen hat. Während er den Klingelton hörte, warf er einen kurzen Blick auf die Uhr: ein Uhr dreiundvierzig. Wahrscheinlich holte er den Typen aus dem Bett, aber das hatte er nicht anders verdient, nachdem er so schnell wieder aufgelegt hatte.
»Ja?«
Die Stimme klang misstrauisch, aber Swain erkannte sie sofort. »Hallo«, meldete er sich fröhlich und auf Englisch. »Ich störe doch nicht, oder? Legen Sie nicht wieder auf, okay? Wenn Sie mitspielen, gibt es nur diesen einen Anruf. Wenn Sie auflegen, bekommen Sie Besuch.«
Es blieb kurz still. »Was wollen Sie?« Obwohl ihn Swain auf Englisch angesprochen hatte, antwortete der Mann auf Französisch; Swain war froh, dass er die Sprache gut genug beherrschte, um ihn zu verstehen.
»Nicht viel. Ich will nur alles wissen, was Sie wissen.«
»Einen Augenblick bitte.« Swain hörte den Mann einige leise Sätze mit einer Frau wechseln. Obwohl kaum ein Wort zu verstehen war, da er den Hörer vom Mund weghielt, meinte Swain etwas von »Ich gehe nach unten« zu hören.
Aha. Er war also zu Hause.
Dann meldete sich der Mann wieder und fragte knapp:
»Was kann ich für Sie tun?«
Eine Rauchbombe, um die Frau im Dunkeln zu halten, vermutete Swain. »Mir einen Namen geben, zum Beispiel.«
»Den des Maulwurfs?« Offenbar war er jetzt außer Hörweite seiner Frau, denn er sprach plötzlich Englisch.
»Den auch, aber vorerst dachte ich an Ihren.«
Der Mann überlegte wieder. »Es wäre besser, wenn Sie den nicht wüssten.«
»Besser für Sie bestimmt, aber mir liegt nichts daran, Ihnen das Leben angenehmer zu machen.«
»Mir schon, Monsieur.« Jetzt klang die Stimme fest; der Mann war
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