Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
es angefangen hatte, wusste der Techniker angeblich nicht mehr. »Wir haben uns einfach angeguckt und es hörte auf, weil sie in Wirklichkeit eine Schrankwand liebte, eines Tags war die frei geworden und dann war Schluss.«
Walter konnte seine Verwunderung nicht verbergen: » Die war freigeworden. Die? Eine Frau?«
Auster lachte heftig. »Ja, eine Frau, eine Schrankwand von einer Frau.«
Im Kopf des Inspektors gingen mehrere Lämpchen an. Von der Anweisung des Regisseurs, heute die Versenkung nicht hinunterzufahren, hatte der Techniker nichts gewusst.
Nein, sie brauchte Nico Ponto nicht nach seinem Naturell zu fragen. Er stellte es überdeutlich zur Schau. Mosine Klipp nickte Walter zu, der aufgestanden war. Da flüsterte es plötzlich an ihrem Ohr: »Ich würd’ dich gerne küssen.«
Der Muskelprotz! Die Kommissarin stellte sich für eine Sekunde tot. Dann reichte sie ihm die Hand: »Danke, es reicht für heute.« In ihr schäumte es. So eine Unverschämtheit, so ein Schwätzer, so ein Angeber. Nein.
»Darf ich Sie nach Hause fahren?«
Der Nächste, bitte. »Nein«, rief sie viel zu laut ihrem Kollegen zu. »Ich laufe, ich muss laufen, außerdem wohne ich nicht weit.«
Walter wollte nicht nur Cabriolet fahren, er wollte etwas loswerden. An der Tür nahm er sie beiseite. »Eine Neuigkeit!«
»Schieß los, vielleicht lenkt mich das ab«, duzte sie ihn ohne Voranmeldung. Er hatte also im Gegensatz zu ihr ein erfolgreiches Gespräch gehabt. In Gesprächspsychologie sind uns die Westler sowieso überlegen, dachte die Kommissarin. Er platzte ja fast …
»Unser Mauerblümchen war lesbisch.«
Sie dachte an den Muskelprotz: »Oder beides, ein bisschen bi schadet nie.«
Muskeln und Falten
Nachts wachte Mosine Klipp auf. Plötzlich war sie von zwei Sehnsüchten angefallen worden: Von der Muskelsehnsucht und von der nach dem Blick. Sie ging barfuß über das knarrende Parkett. Ein bisschen schämte sie sich für die Primitivität ihre Gefühle. Das hätte sie nicht von sich gedacht, dass sie sich von einfachen Muskeln beeindrucken ließ. Mitten in der Arbeit. Warum sollte man nicht sagen, ich will dich küssen, warum nicht so direkt? War es das, was Ilona Schulz auch beeindruckt hatte? Oder hatte er ihr nur einen Knochen hingeworfen, der sich bei näherem Hinsehen als nicht echt entpuppte?
Die andere Sehnsucht war komplizierter. Dieser Hajo Blatzeck hatte sie nicht angesehen, als er mit ihr den Tanz im Café vorgeführt hatte. Sie hatte seinen Blick gesucht, aber der war ins Dunkle des Zuschauerraums gegangen. Sie spürte die ganze Zeit den Drang, ihm in die Augen zu sehen. Diesem Menschen mit den Falten auf der Stirn. Sie sah vom Balkon hinunter auf das Grün der Kastanienbäume. In der Ferne blinkten Lichter.
»Mosine«, sprach sie zu sich selbst in strengem Ton. »Schmeiß jetzt die Kerle raus und konzentrier dich auf das arme Mädchen!« Und sie sperrte den Muskelprotz und die Faltenstirn auf dem Balkon aus und schloss die Tür.
Im Bücherschrank suchte sie nach dem gelben Fremdwörterbuch. Unter Souffleuse fand sie folgendes: »Einhelferin der Schauspieler und Sänger.« Einhelferin, was sollte man sich darunter vorstellen? Was hatte Falte gesagt? Komm mal kurz rein, du. Du bleibst draußen, Muskel
Platz! Schieß los, Falte, was hast du heute über Ilona Schulz gesagt? Das Besondere an einer guten Souffleuse ist, dass man aus ihrem Mund zur rechten Zeit den rechten Text hört, nix weiter.
Natürlich! Die Schauspieler sprechen Text. Auswendig. Und wenn sie vor lauter Spielen den Text vergessen, dann hilft die Souffleuse – ein, meinetwegen. Und sie hatte ein Buch, in dem sie den Text verfolgte. Danke, Falte. Schaust du mich an? Nein, dann geh wieder auf den Balkon. Weg Muskel, du nicht, bleib draußen!
Wo war das Textbuch der Souffleuse? Vielleicht konnte man daraus auf Privates schließen?
Gefühl ist gut, Verstand aber auch
Die neue Souffleuse war da, ebenfalls eine junge Frau. Sie war eigentlich in einem anderen Stück beschäftigt, aber nun musste sie das »Spiel«, wie das Stück unter den Theaterleuten hieß, übernehmen. Mosine Klipp stellte sich vor.
Die Souffleuse erschrak: »Denken Sie, ich habe damit etwas zu tun?«
»Eigentlich nicht, es sei denn, Sie haben Ihre Kollegin umgebracht, um ihren Job zu bekommen. Nein, ich interessiere mich für das Textbuch, das Sie unter dem Arm haben.«
»Man kann Ihnen bestimmt noch eins besorgen«, sagte
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